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Sterbehilfe-Organisation attackiert deutsche Regierung

Archivmeldung vom 29.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Der Gründer der Schweizer Sterbehilfeorganisation "Dignitas", Ludwig Minelli, hat die Bundesregierung für ihren Umgang mit Sterbewilligen scharf kritisiert.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) habe "keine Ahnung" vom "Suizidgeschehen" in Deutschland, sagte Minelli dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Die Äußerung der Ministerin, dass sich jeder auch in Deutschland umbringen könne, sei "so kaltschnäuzig, fast schon empörend". In Deutschland sei eine Freitodbegleitung "nicht unter menschenwürdigen Bedingungen möglich". Der Bezug von seiner Ansicht nach human wirkenden Giften sei in Deutschland verboten, das von seiner Organisation genutzte Natriumpentobarbital dürften nur Veterinäre verwenden. "Somit haben Tiere in Deutschland mehr Rechte als Menschen."

Auch Kanzlerin Angela Merkel ignoriere "den  Unterschied zwischen aktiver Sterbehilfe und begleitetem Freitod", kritisierte Minelli. Wenn eine Bundeskanzlerin diesen Unterschied nicht begreife, sei sie "leider ungebildet - milde ausgedrückt".Ausdrücklich wandte sich Minelli gegen die aktive Tötung von Patienten auf deren Wunsch hin. "Ich finde, man sollte diesen Schritt nicht tun", sagte er. Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland nicht strafbar, allerdings müssen Sterbehelfer befürchten, wegen unterlassener Hilfeleistung belangt zu werden.Suizid werde nur "als Unglücksfall gewertet, was Rettung verlangt", sagte Minelli. Man müsse Sterbende folglich allein lassen. Diese Rechtslage müsse geändert werden, forderte der DIgnitas-Gründer. Menschen dürften nicht "von Staaten, die behaupten, freiheitlich-demokratisch zu sein, gezwungen werden, diese belastenden Reisen in die Schweiz machen". Die Autonomie des Individuums sei "gegen Thron und Kirche hart erkämpft worden. Dieses Recht gilt es überall durchzusetzen."

Minelli bestätigte indirekt, dass seine Organisation derzeit versucht, in Deutschland einen Präzedenzfall zu schaffen. Eine Rechtsänderung in Deutschland sei in drei bis fünf Jahren denkbar, sagte er. Und falls deutsche Gerichte nicht "vernünftig" urteilten, müsse der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entscheiden.

Ludwig Minelli hat nach eigenen Angaben in den letzten zehn Jahren mit seiner Organisation 840 Menschen in den Tod begleitet. 60 Prozent davon seien Deutsche gewesen.

Quelle: Tagesspiegel

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