Palmer zum Schlichtungsauftakt bei "Stuttgart 21": Keine Befriedung ohne abschließenden Volksentscheid
Archivmeldung vom 22.10.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer baden-württembergische Spitzen-Grüne Boris Palmer, der anstelle des verhinderten Grünen-Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann zu "Stuttgart 21" teilnimmt, kann sich nicht vorstellen, dass am Ende des von Heiner Geißler moderierten Abstimmungsprozess zwischen Landesregierung, Bahn und Protestbewegung ein gemeinsames Ergebnis steht.
In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" sagte Palmer, der auch Oberbürgermeister von Tübingen ist: "Dafür müssten sich sehr viele mir zugängliche Informationen als falsch erweisen. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber ich bin dann bereit, meine Meinung zu ändern, wenn sich die Faktenlage ändert. Das hoffe ich auch von der anderen Seite", so Palmer. Auf die Frage nach einem einvernehmlichen Schlichtungsergebnis ergänzte Palmer: "Es wäre schon viel erreicht, wenn es gelänge, Einigkeit über die Faktenlage zu erzielen und dann das Volk entscheiden zu lassen. Dieser Volksentscheid muss nach meiner Meinung am Ende des jetzigen Verfahrens stehen. Sonst lässt sich die Situation nicht befrieden."
Fest stehe schon jetzt, so ergänzte der Grünen-Politiker: "Schwarz-Grün in Baden-Württemberg kann man für die nächste Wahl vergessen. Wer die Polizei auf die Bürgerschaft loslässt, um sich als entschlossener Macher zu profilieren und sich dabei auch noch so verkalkuliert wie Herr Mappus, der kann nicht mit uns regieren. Und mit dem können und wollen wir nicht regieren." Stuttgart 21 sei zum Knackpunkt für eine Zusammenarbeit mit den Grünen geworden. Keine Seite werde da von ihrer Position abgehen, weder Schwarz noch Grün. "Deswegen ist 2011 Schwarz-Grün in Baden-Württemberg erledigt. Was für uns Grüne nicht so schlimm ist wie für die Union, weil Grün-Rot oder Rot-Grün erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs eine realistische Chance hat."
Die öffentliche Moderation mit Heiner Geißler bezeichnete Palmer als "ein Experiment zur Ergänzung unserer Demokratie". Dieses Schlichtungsverfahren sei nirgendwo vorgesehen. Es könne natürlich auch schief gehen. "Wenn es dumm läuft, dann sehen wir nur die alten Power-Point-Präsentationen und hören die schon lange bekannten mehr oder weniger wichtigen Aussagen beider Seiten. Das wäre das Scheitern dieses Experimentes", so Palmer.
Aber es gebe dank Geißlers Wirken schon jetzt ein positives Zeichen. "Nach den Auseinandersetzungen mit schweren Verletzten im Schlossgarten konnte es nicht einfach so weitergehen. Wir waren drauf und dran, uns in eine gefährliche Spirale der Eskalation hineinzusteigern. Jetzt versucht man, wieder vernünftig miteinander zu reden." Wenn es jetzt noch gelänge, Klärung über die Sache herbeizuführen, also strittige Sachverhalte aufzuarbeiten und die vielen zurückgehaltenen Informationen und Unterlagen öffentlich zu machen, dann wäre wirklich viel erreicht.
Quelle: Leipziger Volkszeitung