"Sozialtourismus" ist "Unwort des Jahres" 2013
Archivmeldung vom 14.01.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Sozialtourismus" ist zum "Unwort des Jahres" für das Jahr 2013 gekürt worden. Das teilte eine Jury, hauptsächlich aus Sprachwissenschaftlern bestehend, am Dienstagvormittag an der TU Darmstadt mit. Ausgewählt wurde das Wort aus mehr als 700 verschiedenen Vorschlägen, die vorab eingereicht worden waren.
Nach Ansicht der Sprachjury, die alljährlich das "Unwort des Jahres" ausruft, wird mit dem für das 2013 gekürten Begriff "Sozialtourismus" gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer gemacht. "Das Grundwort `Tourismus` suggeriert in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit", heißt es in der Begründung. Das Bestimmungswort "Sozial" reduziere die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren. "Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu", so die Jury in einer am Dienstag an der TU Darmstadt veröffentlichten Erklärung. Der Ausdruck "Sozialtourismus" reihe sich dabei in ein Netz weiterer aktueller Unwörter ein, die zusammen dazu dienten, eine bestimmte Stimmung zu befördern: "Armutszuwanderung" werde im Sinne von "Einwanderung in die Sozialsysteme" ursprünglich diffamierend und nun zunehmend undifferenziert als vermeintlich sachlich-neutraler Ausdruck verwendet. Mit "Freizügigkeitsmissbrauch" werde denjenigen, die die in der EU jetzt auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien garantierte Freizügigkeit nutzen, ein kriminelles Verhalten unterstellt. Der Ausdruck "Sozialtourismus" treibe die Unterstellung einer böswilligen Absicht jedoch auf die Spitze, so die Wissenschaftler.
2012 war die Bezeichnung "Opfer-Abo" von TV-Wettermoderator Jörg Kachelmann auf Platz eins der Liste gelandet. Das "Unwort des Jahres" wird seit 1991 alljährlich ausgerufen.
Die Aktion will nach eigenen Angaben auf öffentliche Formen des Sprachgebrauchs aufmerksam machen, die nach Ansicht der Jury "gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen". Die Bekanntgabe generiert alljährlich ein beträchtliches Maß an Medienaufmerksamkeit, stößt aber nicht selten auch auf Kritik.
Quelle: dts Nachrichtenagentur