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Tag der älteren Menschen: Armutsgefährdung stieg seit 2005 am stärksten in der Generation 65 plus

Archivmeldung vom 30.09.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Statistisches Bundesamt
Statistisches Bundesamt

Bild: Eigenes Werk /OTT

Die Generation 65 plus sieht sich in Deutschland zunehmend von Altersarmut bedroht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg der Anteil der über 64-Jährigen, die gemessen am Bundesmedian armutsgefährdet sind, in den vergangenen 15 Jahren um 4,7 Prozentpunkte auf 15,7 % im Jahr 2019.

In keiner anderen Altersgruppe war der Anstieg seit dem Jahr 2005 so groß. Insgesamt stieg die Armutsgefährdungsquote im selben Zeitraum um 1,2 Prozentpunkte auf 15,9 %. Die Armutsgefährdungsquote, ein Indikator zur Messung der relativen Einkommensarmut, war für Personen über 64 Jahre somit im Jahr 2019 annähernd genauso hoch wie in der Gesamtbevölkerung.

Der Anstieg der Armutsgefährdungsquoten für die Generation 65 plus fällt im betrachteten Zeitraum in den westlichen und den östlichen Bundesländern (einschließlich Berlin) ähnlich hoch aus, Unterschiede ergeben sich aber im Vergleich zur Armutsgefährdung über alle Altersgruppen hinweg. Im Westen stieg die Armutsgefährdungsquote für über 64-Jährige seit 2005 um 4,6 Prozentpunkte auf 16,2 % im Jahr 2019 und liegt somit sogar knapp oberhalb der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Westen zusammen. Im Osten konnte im gleichen Zeitraum ein Anstieg um 4,9 Prozentpunkte auf 13,8 % gemessen werden. Dieser Wert liegt jedoch um 4,1 Prozentpunkte unter der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Osten. Auffällig ist, dass der Anstieg der Armutsgefährdung in der Generation 65 plus im Osten gegenläufig zum dort beobachteten Gesamttrend verläuft. Über alle Altersgruppen hinweg nahm die Armutsgefährdungsquote im Osten ab: Von 20,4 % im Jahr 2005 auf 17,9 % im Jahr 2019.

Der Anstieg der Armutsgefährdung für die Generation 65 plus in den östlichen Bundesländern basiert im Wesentlichen auf der Entwicklung bei den Männern in dieser Altersgruppe. Wiesen sie im Jahr 2005 noch eine verhältnismäßig geringe Armutsgefährdungsquote von 5,9 % auf, die mit 14,4 Prozentpunkten deutlich unter der Quote im Osten insgesamt lag, so stieg diese bis zum Jahr 2019 um 7,1 Prozentpunkte auf 13,0 %. Dieser Wert lag war nur noch um 4,9 Prozentpunkte geringer als der für Ostdeutschland insgesamt. Zum Vergleich: Die Armutsgefährdungsquote der Frauen über 64 Jahre stieg im Osten von 10,9 % auf 14,4 %. Sie startete also auf einem höheren Ausgangswert und stieg weniger stark an als die Vergleichswerte bei den Männern in der Altersgruppe.

Armutsrisiko 2019 im Saarland am höchsten, in Brandenburg am niedrigsten

Ein Blick auf die einzelnen Bundesländer offenbart, dass das höchste Armutsrisiko für ältere Menschen gleichermaßen vor 15 Jahren wie auch zuletzt im Saarland (2019: 18,4 %), in Rheinland-Pfalz (17,8 %) und in Bayern (17,5 %) bestand. Am niedrigsten war es im vergangenen Jahr in Brandenburg (12,5 %), Schleswig-Holstein (13,0 %), Thüringen und Sachsen (jeweils 13,4 %). Seit 2005 besonders stark gestiegen ist die Armutsgefährdungsquote im östlichen Stadtstaat Berlin (+7,4 Punkte auf 14,8 %) und im bevölkerungsreichsten Flächenland im Westen, in Nordrhein-Westfalen (+7,1 Punkte auf 16,8 %).

3,2 % der Menschen im Rentenalter bezogen Ende 2019 Grundsicherung

Wer im Alter seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, erhält die sogenannte Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel SGB XII. Die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger im Rentenalter, die bis 2012 bei 65 Jahren lag und seither schrittweise angehoben wird, hat sich seit Einführung der Leistung im Jahr 2003 bundesweit mehr als verdoppelt: von 258 000 zum Jahresende 2003 auf 562 000 zum Ende des vergangenen Jahres. Dieser Anstieg ist auch auf die insgesamt in Deutschland wachsende Zahl von Menschen im Rentenalter zurückzuführen. Allerdings sind inzwischen mehr Menschen im Rentenalter auf die Sozialleistung angewiesen als vor 17 Jahren: Deren Anteil stieg von 1,7 % zum Jahresende 2003 auf 3,2 % im Dezember des vergangenen Jahres.

Zwischen den Bundesländern zeigen sich hier jedoch deutliche Unterschiede. So sind ältere Menschen in den Stadtstaaten besonders häufig auf Grundsicherung angewiesen, allen voran in Hamburg. Ein Grund dafür könnten die höheren Lebenshaltungskosten in den Städten sein. Rund jede zwölfte in Hamburg lebende Person über der Altersgrenze erhielt im Dezember 2019 die Grundsicherung im Alter (8,5 %) - im Bundesländer-Vergleich der höchste Wert. In Bremen (6,9 %) und Berlin (6,6 %) war die Quote der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter ebenfalls überdurchschnittlich hoch.

Bezugsquoten für Grundsicherung im Alter im Osten niedriger

Dagegen schneiden die ostdeutschen Flächenländer verhältnismäßig gut ab, auch wenn dort die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter seit 2003 ebenfalls stark zunahm. Allerdings fiel die Grundsicherungsquote der Menschen im Rentenalter deutlich geringer aus als im Westen. Sie bewegte sich zuletzt zwischen 1,0 % in Thüringen und 1,6 % in Mecklenburg-Vorpommern. In den westlichen Flächenländern kam Ende 2019 Nordrhein-Westfalen auf den höchsten Anteil von Personen mit Grundsicherung in der entsprechenden Altersgruppe (4,3 %). Am niedrigsten war der Anteil in Baden-Württemberg (2,5 %).

Anteil der über 64-Jährigen 2019 am niedrigsten im Hamburg mit 18,2 %

Der deutliche Anstieg der Armutsgefährdung bei Älteren fällt in den östlichen Bundesländern umso stärker ins Gewicht, als die Bevölkerung dort besonders stark alterte. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie reichen von der Abwanderung überwiegend junger Menschen in die westlichen Bundesländer und eine geringe Zuwanderung aus dem Ausland über rückläufige Geburtenzahlen bis zu einer gestiegenen Lebenserwartung. Lag der Anteil der Menschen über 64 Jahre dort im Jahr der deutschen Vereinigung 1990 mit 13,8 % noch unter dem in den westlichen Ländern (15,3 %), so ist er inzwischen deutlich höher. 2019 war mehr als ein Viertel der Menschen im Osten älter als 64 Jahre (26,0 %), im Westen war es etwas mehr als ein Fünftel (21,1 %). Besonders hoch war der Anteil der über 64-Jährigen im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt (27,0 %), am niedrigsten fiel er mit 18,2 % in Hamburg aus.

Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen. Der Anteil der Menschen über 64 Jahre dürfte bis 2030 in Ostdeutschland auf über 30 % steigen und anschließend auf diesem Niveau verharren. Im Westen Deutschlands wird er sich voraussichtlich auf 25 % im Jahr 2030 und auf 28 % im Jahr 2040 erhöhen. Im Ländervergleich würden bis 2040 Sachsen-Anhalt mit einem Anteil der über 64-Jährigen von etwa 33 % und Hamburg mit einem Anteil von 22 % ihre Stellung als jeweils demografisch "ältestes" beziehungsweise "jüngstes" Bundesland behalten.

Anteil der über 64-Jährigen in Deutschland über dem EU-Durchschnitt

Im europäischen Vergleich lag Deutschland mit einem Anteil der über 64-Jährigen von 21,5 % im vergangenen Jahr über dem Durchschnitt der EU-27 (20,3 %). Stärker vertreten war diese Altersgruppe den Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge nur in Italien (22,8 %), Griechenland (22,0 %) sowie Portugal und Finnland (je 21,8 %). Zum Vergleich: In Irland war im vergangenen Jahr nur etwa jede siebte Person 65 Jahre und älter (14,1 %).

Bis zum Jahr 2040 schreitet die Alterung der Gesellschaft auch auf europäischer Ebene voran: Der durchschnittliche Anteil der Generation 65 plus an der Gesamtbevölkerung in den 27 Mitgliedstaaten der EU wird laut den Vorausberechnungen auf 27,6 % steigen. In Ländern wie Italien (32,0 %), Portugal (30,6 %) oder Griechenland (30,4 %) ist dann bereits fast jeder dritte Einwohner beziehungsweise jede dritte Einwohnerin älter als 64 Jahre. In Irland, wo auch künftig der Anteil der Älteren am geringsten ist, wird dann voraussichtlich ein Fünftel der Bevölkerung 65 und älter sein (21,0 %).

Quelle: Statistisches Bundesamt (ots)


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