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Neue Studie: Gewalt im Knast "alltäglich"

Archivmeldung vom 07.05.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.05.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Peter Reinäcker / pixelio.de
Bild: Peter Reinäcker / pixelio.de

Schwere Gewalttaten gehören in Deutschlands Jugendstrafanstalten zum Alltag. Sie sind die Normalität, werden aber von den Bediensteten großenteils gar nicht bemerkt. Fast jeder zweite jugendliche Strafgefangene hat bei Befragungen für die bislang größte Untersuchung zu diesem Problem angegeben, er habe in den letzten drei Monaten einen Mitgefangenen verletzt. Diese Ergebnisse stellt der Direktor des Instituts für Kriminologie an der Universität Köln, Prof. Frank Neubacher, am Dienstag, 7. Mai, in "Panorama - die Reporter" im NDR Fernsehen vor.

Für die umfassendste Studie ihrer Art haben Neubacher und seine Mitarbeiter 882 Gefangene aus den Justizvollzugsanstalten Heinsberg und Herford (beide in Nordrhein-Westfalen) sowie Ichtershausen (Thüringen) befragt. Um wirklich verlässliche Ergebnisse zu erhalten, wurden die Befragungen mehrfach wiederholt. Die jeweilige Übereinstimmung der Ergebnisse gab den Wissenschaftlern die Gewissheit, dass die Angaben stimmten.

43 Prozent der befragten Strafgefangenen gab an, Mitgefangene absichtlich am Körper verletzt, getreten oder geschlagen zu haben. Nur die wenigsten Strafgefangenen waren laut Studie frei von Gewalterfahrungen: Nur rund fünf Prozent der Befragten gab an, in den letzten drei Monaten weder psychische noch physische Gewalt erlebt zu haben. Dazu Neubacher: "Das Meiste, was passiert, wird den Bediensteten gar nicht bekannt." Es gebe Vollzugsbeamte, die sagten: "Dieses Ausmaß können wir uns gar nicht recht vorstellen." Er, Neubacher, habe sich "gewundert, in welchem Maß der Vollzug verwundert war über die Existenz dieses Dunkelfeldes." Vieles bleibe eben unter der Decke, weil es unter den Gefangenen die eherne Regel gebe: "Man verpetzt sich nicht."

70 Prozent aller befragten Strafgegangenen waren sowohl Täter als auch Opfer. Sehr häufig, so Prof. Neubacher, entwickelten sich junge Strafgefangene von Opfern zu Tätern. Wenn sie einmal Gewalt erfahren hätten, sagten sie sich: "Ich werde mir unter diesen Umständen vielleicht nur mit Gewalt helfen können. Insofern ist das ein Problem im Jugendstrafvollzug, dass Gewalt dort natürlich auch erlernt und weiter verfestigt wird." Vor einigen Jahren hatten Insassen der Jugendstrafvollzugsanstalt Siegburg einen Mitgefangenen zu Tode gequält. Fälle von regelrechter Folter wurden auch aus den Strafanstalten Hameln und Ichtershausen bekannt.

Als Gegenmaßnahmen nennt der Kriminologe: "Haftvermeidung" - also möglichst Verzicht auf Gefängnisstrafe, wenn die Straftat eines jugendlichen Delinquenten das irgendwie zulasse. Auch sei es "keine gute Entwicklung, dass Jugendstrafanstalten bis zu 700 Haftplätze haben". In großen Anstalten sei "das Gewaltvorkommen deutlich größer". Außerdem müsse mehr in Personal, insbesondere Sozialarbeiter und Psychologen, investiert werden. Und es müssten den Gefangenen mehr Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten geboten werden.

"Panorama - die Reporter": Dienstag, 7. Mai, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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