Gänse verrieten Heiligen Martin, aber bis heute ihre Herkunft nicht
Archivmeldung vom 09.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 11. November gucken wieder abertausend Gänse in die Röhre. Mit allem möglichen Obst und Gemüse gefüllt sind sie Hauptgang und Namensgeber des traditionellen Martinsgans-Essens. Zahlreiche Legenden ranken sich um diese Tiere. Wurden sie im alten Rom noch verehrt, weil sie mit ihrem Geschrei die Wächter auf dem Kapitol vor den nahenden Galliern geweckt und damit die Stadt gerettet hatten, wurde ihnen ihre Wachsamkeit im ersten Jahrtausend nach Christi zum Verhängnis
Sie verrieten mit ihrem Geschnatter den Heiligen Martin, der sich in ihrem Stall versteckte, um nicht zum Bischof von Tours ernannt zu werden. Als "Strafe" werden Gänse nun am 11. November - am Gedenktag des Heiligen Martin - verspeist.
Den Heiligen Martin haben sie verraten - leider verraten sie ihre Herkunft häufig nicht. Dabei kommt es gerade darauf an: Nur 15% der verzehrten Gänse stammen aus Deutschland. Diese Gänse werden häufig, aber auch nicht immer, artgemäß gehalten. Der überwiegende Teil der Gänse wird jedoch aus Polen oder Ungarn importiert. Dort laufen die Gänse nicht auf Wiesen - oder gar dem Kapitol - herum und haben auch keine Ställe, in denen sie sich verstecken können. Sie verbringen ihr kurzes Leben vielmehr zu Tausenden gedrängt in fensterlosen Hallen. Eine Möglichkeit zum Schwimmen hat das Wassergeflügel zeitlebens nicht. Mit energiereichem Futter werden die Gänse in möglichst schneller Zeit - in der Regel 9 bis 16 Wochen - schlachtreif gemästet. Eine artgemäße Haltung erfordert hingegen eine extensive Weidehaltung von Gruppen mit 50 bis 100 Tieren und mindestens 20, besser 30 Wochen Mastdauer. Schwimmgelegenheiten und ein Stall mit sauberer Einstreu zum Ruhen sollten selbstverständlich zur Verfügung stehen.
Verbraucher haben es aber schwer, eine deutsche Gans zu erkennen. Denn auch eine in Polen gemästete und in Deutschland geschlachteteGans darf als deutsche Gans gekennzeichnet werden. "Dies ist Verbrauchertäuschung erster Güte", kritisiert Sandra Gulla, Vorsitzende von PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung. Der Fachverband für artgemäße Nutztierhaltung fordert daher eine klare Kennzeichnung, unter welchen Bedingungen und in welchem Land die Gänse gemästet wurden. "Unabhängig davon raten wir Verbrauchern, Gänse nur zu kaufen, wenn sie nachweislich aus extensiver Weidehaltung stammen oder wenn man sich selber von einer guten Haltung der Tiere überzeugt hat", so Sandra Gulla weiter. Adressen von Bezugsquellen bekommt man zum Beispiel bei Öko-Anbauverbänden und Verbraucherzentralen.
Quelle: Pressemitteilung PROVIEH