Umstrittenes Autokältemittel R1234yf:Heimlichtuerei um TÜV-Gutachten geht weiter
Archivmeldung vom 02.04.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Versteckspiel geht weiter: Der Verband der Automobilindustrie (VDA) und die deutschen Autohersteller halten seit Monaten ein Gutachten des TÜV Süd unter Verschluss, auf dessen Grundlage sie die Unbedenklichkeit des umstrittenen fluorierten Kältemittels für Autoklimaanlagen R1234yf behaupten. Anfragen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), des Berufsverband Feuerwehr e.V. und von Medienvertretern, die Originaluntersuchung einsehen zu dürfen, werden konsequent abgelehnt. Der VDA verweist die DUH auf die Autohersteller, in deren Auftrag der TÜV die Studie durchführte. Die Hersteller wiederum leiten entsprechende Anfragen an den VDA weiter.
"Entweder das Gutachten des TÜV Süd hält, was die Autoindustrie verspricht. Dann gibt es keinen Grund, es der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Oder aus der Untersuchung ergibt sich nicht das, was der VDA öffentlich behauptet", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "In jedem Fall ist die fortgesetzte Heimlichtuerei um das Gutachten ein Skandal." Resch wirft dem Verband der Automobilindustrie vor, die Risiken des neuen Kältemittels bewusst zu verschleiern.
Nach Überzeugung der Umweltschutzorganisation gibt es gefestigte wissenschaftliche Erkenntnisse über die mit dem Einsatz der Chemikalie R1234yf (chemisch: Tetrafluorpropen) verbundenen nicht hinnehmbaren Risiken im Fall von Autobränden. So hatten mehrere Studien der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und des Instituts für Chemie der Universität München die Gefahren bestätigt. Mitte Februar hatte auch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) angekündigt, eine Neubewertung des umstrittenen Kältemittels vornehmen zu wollen. Damit wurde erstmals von offizieller Seite auf EU-Ebene die von der Industrie behauptete Unbedenklichkeit von R1234yf in Frage gestellt. Von Seiten der Automobilindustrie gibt es auf diese Entwicklung bisher keine Reaktion.
Im Gegenteil: Die behauptete Unbedenklichkeit wird vom VDA und inzwischen auch anderen Institutionen eisern verteidigt. Ausgangspunkt ist jedoch stets und ausschließlich die Untersuchung des TÜV Süd. Die hat angeblich ergeben, dass alle zu betrachtenden Unfallszenarien nachvollziehbar untersucht worden seien und sich R1234yf in jedem Fall als harmlos erwiesen habe.
So ist nach einer Verbraucherinformation des TÜV Rheinland das neue Kältemittel nicht gefährlicher als das derzeit in Pkw eingesetzte (aber extrem klimaschädliche) R134a. Der TÜV Rheinland bezieht sich dabei auf den Deutschen Feuerwehrverband (DFV) sowie eine Vereinigung zur Förderung des Brandschutzes (vfdb). Der Deutsche Feuerwehrverband, die Vertretung der freiwilligen Feuerwehren, hat jedoch nach eigenen Angaben keine eigenen Tests durchgeführt, sondern gründet seine Aussagen auf Informationsgespräche mit dem VDA. Die vfdb wiederum hat auf ihrer Website lediglich einen Beitrag zum Thema veröffentlicht - die Autoren sind allesamt Vertreter der Automobilindustrie und des VDA.
"Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Öffentlichkeit für dumm verkauft werden soll. Auf unbekannter Grundlage werden Persilscheine verteilt, deren Wahrheitsgehalt niemand überprüfen kann und offenbar auch nicht soll", sagt die Projektleiterin PRO KLIMA bei der Deutschen Umwelthilfe e.V., Eva Lauer.
Im Gegensatz zu den Vertretern der freiwilligen Feuerwehren sieht der Berufsverband Feuerwehr e.V. große Risiken bei einem möglichen Einsatz von 1234yf in Pkw-Klimaanlagen und fordert eine klare Kennzeichnung der Fahrzeuge mit einem Gefahrensymbol. Der Berufsverband Feuerwehr e.V. vertritt etwa 28.000 hauptberufliche Feuerwehrleute, die für rund die Hälfte der Feuerwehreinsätze in Deutschland verantwortlich sind.
Hintergrund:
R1234yf ist ein brennbares, farbloses Gas und soll seit Januar 2011 das bisherige, extrem klimaschädliche Kältemittel R134a ablösen. Zwar weist die neue Chemikalie eine wesentlich geringere Klimawirksamkeit als sein Vorgänger auf. Jedoch ist R1234yf brennbar und bildet im Brandfall Fluorwasserstoff (HF). Mit Wasser, z.B. dem Löschwasser der Feuerwehr, reagiert Fluorwasserstoff wiederum zu extrem gefährlicher Flusssäure. Diese ist ätzend und ein starkes Kontaktgift. Für Unfallopfer als auch für die Feuerwehrleute stellt das ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.
Die DUH betreibt gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) die Kampagne "PRO KLIMA: Effiziente Autoklimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln". Ziel ist der Umstieg auf umweltschonende Klimatechnik. Die Kampagne wird im Rahmen eines EU-Programms LIFE+ gefördert. Natürliche Kältemittel wie CO2 sollen zur Anwendung kommen, da sie ökologisch verträglich und kostengünstig verfügbar sind und gleichzeitig die Sicherheit der Fahrzeuginsassen garantieren. Weitere Informationen zur Kampagne unter: www.autoklimaanlage.info.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)