Norbert Blüm: Verstehe Ärger des Papstes
Archivmeldung vom 05.02.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer CDU-Politiker Norbert Blüm hat Verständnis für die Verärgerung des Papstes über die anhaltende Kritik besonders aus Deutschland geäußert. Er könne Benedikts Ärger verstehen, "weil an seiner moralischen Integrität gezweifelt und er als Antisemit dargestellt wurde.
Es ist an der Zeit, die Kirche im Dorf zu lassen" sagte Blüm der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag-Ausgabe). Man müsse in der Debatte klar sagen, Benedikt XVI. ist kein Antisemit, er ist da über jeden Verdacht erhaben. "Seine Position dazu hat er unmissverständlich mehrmals gesagt, wie oft soll er sie noch wiederholen?", so Blüm.
Auch die öffentliche Papst-Kritik von Kanzlerin Angela Merkel habe ihm nicht gefallen. "Der Tonfall gefällt mir nicht. Ich bin empfindlich, wenn staatliche Anweisungen zu innerkirchlichen Belangen erteilt werden. Staat und Kirche sind bei uns Gott sei dank getrennt. Natürlich muss sich die Kanzlerin politisch äußern zum Antisemitismus. Doch dazu hat sich auch der Papst mehrmals unmissverständlich erklärt."
Etwas anderes sei die Behandlung der Piusbruderschaft. "Da ist ein dicker Fehler gemacht worden. Für mich sind sie keine Katholiken, weil sie das Zweite Vatikanische Konzil ablehnen." Ein Sonderfall sei der Holocaust-Leugner Williamson. "Dem muss man deutlich sagen, dass sich Christentum und Antisemitismus ausschließen. Wer Auschwitz leugnet, ist ein Verbrecher."
Die Schuld an dem Eklat sieht Blüm vorallem in den Strukturen des Vatikan. Man habe den Papst offenbar ins offene Messer laufen lassen. "Mir kann keiner erzählen, dass von den geistigen Verirrungen des Herrn Williamson niemand im Vatikan gewusst hat. Wenn irgendwo im Urwald ein Befreiuungstheologe Blähungen hat, dann gibt es sofort Alarm im Vatikan."
Andererseits zeige sich jetzt auch wieder eine sehr menschliche Seite von Benedikt, so Blüm, der als Theologie-Student Joseph Ratzinger im Hörsaal erlebt hat. "Manche hatten schon geglaubt, der Papst sei so enthoben, dass er eine Telefonleitung zum lieben Gott hat und dort täglich seine Aufgaben bekommt. Dieser Fehler zeigt: Der Papst ist nicht unfehlbar, das macht ihn und das Amt auch wieder verstehbarer. Seine Autorität gründet in Glaubensfragen. In weltlichen Fragen hat er kein Privileg."
Quelle: Leipziger Volkszeitung