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Baustoffhersteller verkaufte jahrelang minderwertige Kalksandsteine

Archivmeldung vom 09.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Baustoffhersteller Xella, eine Tochter des Haniel-Konzerns, hat nach Informationen des Magazins stern über rund acht Jahre in drei Werken minderwertige Kalksandsteine produziert und bis Anfang 1996 in den Handel gebracht.

Der beim Produktionsprozess notwendige Branntkalk wurde dabei zumindest teilweise durch ein Abfallprodukt ersetzt, das bei der Rauchgasentschwefelung in Steinkohlekraftwerken anfällt. Der Skandal: Die Steine der Marke "KS" kamen in den Markt, obwohl das Unternehmen sehr früh durch ein Gutachten des Bundesverbands Kalksandstein detailliert vor möglichen negativen Folgen der Zutaten gewarnt worden war. In einer internen Mitteilung stellte die Versicherungsabteilung von Xella noch im April 2006 fest: "Bedenken des Bundesverbands wurden negiert." Außerdem wurde weiterproduziert, nachdem bereits die ersten Schadensmeldungen von Eigenheimbesitzern vorlagen.

Die mit Kraftwerkskalk produzierten Steine verlieren offenbar unter Einfluss von Feuchtigkeit an Festigkeit und blühen aus. Wände reißen und verlieren Stabilität. Solche Schäden können nicht repariert werden, sondern sämtliche Steine - manchmal ganze Kellergeschosse - müssen aufwändig ersetzt werden. Xella hatte die Verwendung des Kraftwerkskalks bereits vergangenes Jahr in einer Pressemitteilung eingeräumt. Die dem stern vorliegenden Dokumente zeigen nun das wahre Ausmaß der Affäre.

Der Haniel-Konzern behauptet gegenüber dem "stern", die Zahl der möglichen Schäden nicht schätzen zu können und spricht von "bislang 265 betroffenen Gebäuden". Aufgrund der langen Produktionszeit könnten nach stern-Informationen aber bis zu 45000 Gebäude, vorwiegend Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften in Nordrhein-Westfalen, teils oder ganz mit solchen Steinen gebaut worden sein.

In einem anwaltlichen Rechtsgutachten von 2006, das von Xella in Auftrag gegeben wurde und dem stern vorliegt, heißt es unter anderem: "Die Kalksandsteine der Haniel Baustoffwerke sind fehlerhaft. Das ursprüngliche Inverkehrbringen der Kalksandsteine trotz der Warnhinweise des Bundesverbandes der Kalksandsteinindustrie war mindestens fahrlässig." Außerdem werde bis heute die Warnpflicht verletzt und es drohe Haftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Eine strafrechtliche Verantwortung wegen Sachbeschädigung durch Unterlassen könne ebenso wenig ausgeschlossen werden.

In einigen Fällen hat Xella geschädigten Eigentümern die Häuser inzwischen abgekauft. Im Gegenzug mussten sich die Verkäufer vertraglich zur absoluten Verschwiegenheit verpflichten. Haniel hat Xella mittlerweile zum Verkauf gestellt. Dabei sollen die Käufer offenbar von den Folgen des Kalk-Skandals freigestellt werden. Gegenüber dem stern erklärte Haniel, dass das Unternehmen sich auch nach einer möglichen Veräußerung weiterhin für den Sachverhalt verantwortlich zeigen werde.

Quelle: stern

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