Berlin macht Jagd auf Corona-Hilfe-Betrüger
Archivmeldung vom 13.10.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttNach scharfer Kritik an der Auszahlung von Corona-Soforthilfen fast ohne Prüfung bemüht sich das Land Berlin um Schadensbegrenzung. Wie die Berliner Staatsanwaltschaft auf Anfrage des Wirtschaftsmagazins CAPITAL (Ausgabe 11/2020, EVT 15. Oktober) bestätigte, wurde in der Behörde eine Sonderermittlungsgruppe eingerichtet, die Missbrauch und Betrug bei den Hilfen verfolgt.
In der Gruppe seien "sechs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unter der Leitung einer Oberstaatsanwältin" zusammengezogen worden, sagte eine Sprecherin. Ziel sei es, "in diesem Verfahrenskomplex zügig voranzukommen". Nach Angaben der Sprecherin wurde bereits in mehr als 300 Verfahren veranlasst, Vermögen von Empfängern der Hilfen abzuschöpfen.
Bundesweit waren zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr Tausende Fälle bekannt geworden, in denen Soloselbstständige und Kleinunternehmer zu Unrecht Corona-Zuschüsse beantragt und erhalten hatten. In Berlin hatte es Betrüger besonders leicht, weil der Senat Hilfen in Milliardenhöhe extrem unbürokratisch und im Eiltempo auszahlen ließ - allerdings auch nahezu ohne Kontrollen. Anfangs mussten Antragsteller nicht einmal ihre Steuernummer angeben. Intern hatte deshalb das Landeskriminalamt frühzeitig gewarnt, dass dieses Verfahren Missbrauch begünstige. Die laxe Auszahlungspraxis in der Hauptstadt sorgte auch für massiven Ärger in der Bundesregierung, die den größten Teil des Geldes bereitgestellt hatte.
Im Zusammenhang mit den Corona-Hilfen bearbeitet die Berliner Staatsanwaltschaft derzeit nach eigenen Angaben rund 900 Fälle von Straftaten. Darüber hinaus seien beim LKA etwa 1700 weitere Verfahren anhängig, die bei ihr noch nicht erfasst seien, sagte eine Sprecherin gegenüber CAPITAL. Der Gesamtschaden solle rund 9 Mio. Euro betragen.
Nach Angaben von Insidern soll die Bildung der Sonderermittlungsgruppe bei der Berliner Staatsanwaltschaft auf eine Anregung aus dem Senat zurückgehen. Dagegen betonte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bei der Einrichtung der Ermittlungsgruppe handele sich um eine "behördeninterne Entscheidung". Auch eine Sprecherin von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte auf Anfrage von CAPITAL, die Staatsanwaltschaft treffe ihre Entscheidungen "selbstständig". Intern führt die Abstellung mehrerer Staatsanwälte für die Corona-Ermittlungen in der Anklagebehörde nach Informationen von CAPITAL allerdings zu Unmut. Wegen mangelnder Kapazitäten müssten nun andere Wirtschaftsverfahren zurückgestellt werden, heißt es in Ermittlerkreisen. Dies könne im Ergebnis auch dazu führen, dass manche Fälle von Wirtschaftskriminalität in Berlin verjährten.
Quelle: Capital, G+J Wirtschaftsmedien (ots)