Rekrutengelöbnis Wehrbeauftragter Robbe vermisst Anerkennung der Streitkräfte durch die Gesellschaft
Archivmeldung vom 20.07.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), hat im Vorfeld des heutigen Gelöbnisses vor dem Reichstag eine mangelnde Anerkennung der Bundeswehr durch die Gesellschaft beklagt. "Es gibt in unserer Gesellschaft zu wenig menschliche Zuwendung gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung".
"Diese fehlende moralische Unterstützung ist eine wirkliche Belastung, das höre ich bei jedem meiner Besuche in der Truppe." Auf die Frage, ob man dem mit Gelöbnissen vorm Reichstag, der Vergabe von Tapferkeitsmedaillen und dem Bau eines Ehrenmals für tote Soldaten entgegenwirken könne, erwiderte Robbe: "Das sind wichtige symbolische Gesten. Aber man kann menschliche Zuwendung nicht staatlich verordnen. Das muss durch Überzeugung kommen. Und die kann nur entstehen, wenn sich die großen gesellschaftlichen Kräfte in unserer Republik angesprochen fühlen - zum Beispiel die ganze intellektuelle Welt. Sie hat sich in den 60 Jahren Bundesrepublik so gut wie gar nicht um die Bundeswehr gekümmert." Der Wehrbeauftragte fuhr fort: "Ich freue mich, dass das Gelöbnis nun regelmäßig vor dem Reichstag stattfinden soll - auch als Symbol dafür, dass das Parlament hinter der Bundeswehr steht. Allerdings hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zurecht darauf hingewiesen, dass das Gelöbnis dort nicht immer am 20. Juli stattfinden muss. Es können auch andere Daten sein." Dafür komme "gerade auch der 3. Oktober" in Betracht, der Tag der deutschen Einheit.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), hat auf die besondere Bedeutung der Ostdeutschen für die Bundeswehr hingewiesen. "Wenn ich in die Einsatzgebiete fahre, herrscht dort oft der sächsische Dialekt vor", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Montag-Ausgabe). "Die Zahlen belegen das eindrucksvoll. Die Soldatinnen und Soldaten aus den neuen Bundesländern sind auch in den Einsätzen überproportional vertreten und somit überproportional belastet." Allerdings seien sie kein "Kanonenfutter", betonte Robbe. "Allein die These ist verwerflich." Sie seien nur "oftmals etwas flexibler und weniger anspruchsvoll. Sie lassen sich eher ein auf Versetzungen und andere ,unbequeme' Dinge, weil sie in der Bundeswehr oft die einzige Möglichkeit sehen, eine sichere berufliche Zukunft zu haben. Zudem ist auch der Auslandsverwendungszuschlag für viele Soldatinnen und Soldaten attraktiv. Mit Blick auf die Kameradschaft macht es kaum einen Unterschied, woher ein Soldat kommt. Das wird oft erst dann deutlich, wenn ein Soldat fällt." Der Wehrbeauftragte erklärte weiter: "Eine ganz andere Frage ist, wie der Soldat in der Bevölkerung anerkannt wird. Da herrscht nicht nur, aber eben auch in den neuen Bundesländern eine stark ablehnende Haltung gegenüber den Auslandseinsätzen. Diese steht in krassem Widerspruch zum Engagement der ostdeutschen Soldaten."
Aus einer Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), an den grünen Bundestagsabgeordneten Peter Hettlich geht hervor, dass die Ostdeutschen in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr stark überproportional vertreten sind. Während der Anteil der Ostdeutschen an der Gesamtbevölkerung knapp 20 Prozent beträgt, stellen die ostdeutschen Soldaten in den aktuellen Auslandseinsätzen der Bundeswehr 49,1 Prozent. In den Mannschaften liegt die Quote mit 62,4 Prozent sogar noch deutlich darüber. Von den 35 Bundeswehr-Soldaten, die seit 2001 in Afghanistan ihr Leben ließen, waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums wiederum 13 Ostdeutsche - also mehr als ein Drittel. Dies teilte ein Ministeriumssprecher der "Mitteldeutschen Zeitung" mit.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung