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"Die Lage war statisch": Beim tödlichen Poilizeieinsatz in Dortmund sollen Beamte die mutmaßliche Gefahr erst geschaffen haben

Archivmeldung vom 02.09.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.09.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Tatort (Symbolbild)
Tatort (Symbolbild)

Bild: Tim Reckmann / pixelio.de

Nach dem tödlichen Polizeieinsatz in Dortmund geht die Staatsanwaltschaft nach den bisherigen Ermittlungen davon aus, dass die kritische Situation, die mit dem Tod des 16-Jährigen geendet hatte, erst durch die Polizisten geschaffen worden war.

Zwölf Polizistinnen und Polizisten waren am 8. August zur Jugendhilfeeinrichtung St. Elisabeth gefahren, weil ein suizidgefährdeter 16-jähriger Flüchtling aus dem Senegal im Innenhof saß und sich ein Messer vor den Bauch hielt.

Oberstaatsanwalt Carsten Dombert sagte dem WESTFALEN-BLATT: "Der Jugendliche war alleine im Innenhof. Er saß teilnahmslos mit dem Rücken an der Kirchenmauer und hatte den Kopf gesenkt. Drei Seiten des Hofs sind von Mauern begrenzt, an der vierten Seite standen Polizisten. Der 16-Jährige stellte also keine Gefahr für die Allgemeinheit dar."

In dieser Situation sei es Aufgabe der Polizisten gewesen, das mildeste Mittel zu wählen, um den Jungen von einem möglichen Suizid abzuhalten. "Man hätte zum Beispiel erstmal einen Dolmetscher besorgen können." Denn der Jugendliche sei von den Polizisten auf deutsch und spanisch angesprochen worden, soll aber diese beiden Sprachen nicht gesprochen haben. "Die Polizisten hätten außer einem Übersetzer auch eine Verhandlungsgruppe oder einen Psychologen anfordern können", sagt Oberstaatsanwalt Dombert. Es habe jedenfalls nicht die Not bestanden, sofort eingreifen zu müssen. "Die Lage war statisch. Der Jugendliche saß da und tat nichts."

Nach derzeitigem Ermittlungsstand habe erst die Entscheidung des Einsatzleiters, den Jugendlichen mit Reizgas zu besprühen, dazu geführt, dass der 16-Jährige aufgestanden sei. Im weiteren Verlauf hatte sich dann eine Situation ergeben, die die Polizisten als bedrohlich wahrgenommen haben wollen. Nachdem zwei Schüsse aus Tasern den 16-Jährigen nicht paralysieren konnten - die Elektroschocker funktionierten nicht wie vorgesehen - erschoss ein Polizeikommissar (29) den Jugendlichen mit vier Kugeln aus einer MP. Er habe die Beamten mit dem Messer bedroht, so die offizielle Schilderung der eingesetzten Kräfte. Diese Darstellung ist für die Ermittler noch nicht zweifelsfrei erwiesen.

Oberstaatsanwalt Carsten Dombert sprach von einem "ganz tragischen Fall". "Da werden Polizisten gerufen, um einen jungen Menschen von einem Suizid abzuhalten, und am Ende ist er erschossen. Was auch immer unsere Ermittlungen ergeben - der Junge wird nicht wieder lebendig."

Dass die Ermittlungen in diesem Fall schon so weit fortgeschritten seien, sei der Polizei Recklinghausen zu verdanken, sagte Dombert. "Es wurden ja vereinzelt in der Öffentlichkeit Zweifel an der Objektivität der Ermittler geäußert, aber ich kann sagen, dass alle von der Mordkommission bis zur Polizeipräsidentin absolut engagiert, professionell und neutral an die Sache herangegangen sind. Die haben die Wochenenden durchgearbeitet, um Licht in die Sache zu bringen."

Dass die Auswertung des Einsatzfunkverkehrs und eines Telefonats jetzt durch das Bundeskriminalamt erfolge, liege nicht an einem etwaigen Misstrauen gegen das Landeskriminalamt in Düsseldorf: "Der Grund ist ganz einfach der, dass der Audio-Experte des LKA im Moment krank ist, und wir die Untersuchungen nicht auf die lange Bank schieben wollten."

Auch wenn jetzt gegen fünf Dortmunder Polizisten ermittelt werde, sei es ihm wichtig, dass in der Öffentlichkeit nicht alle 40.000 Polizisten aus NRW unter Generalverdacht gestellt würden, sagt der Oberstaatsanwalt. "Die sorgen jeden Tag für unsere Sicherheit, und ein generelles Misstrauen wäre völlig fehl am Platze." Letztlich gelte auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung. "Was zum Schluss aus dem Verfahren wird, muss abgewartet werden."

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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