Türkische Gemeinde: Verschiebung des NSU-Prozesses ist nachvollziehbar
Archivmeldung vom 15.04.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hat Verständnis für die Verschiebung des NSU-Prozesses gezeigt. "Ich kann die Entscheidung nachvollziehen", sagte Kolat der "Welt". "Es muss alles dafür getan werden, damit das Urteil am Ende nicht angreifbar ist."
Kolat kritisierte jedoch die vorherigen Entscheidungen des Gerichts bei der Frage der Platzvergabe: "Das Gericht hat viele Fehler gemacht, die nun zu diesem Schritt geführt haben." Kolat fordert die von der Bundesregierung berufene Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, auf, sich nun um die finanziellen Sorgen der Hinterbliebenen zu kümmern. "Für die Hinterbliebenen ist die Verschiebung unglaublich." Nun müsse überlegt werden, wie die finanziellen Schäden durch die Anreise oder Hotelbuchungen möglichst gering gehalten werden können. Kolat bittet auch die Deutsche Bahn, Fluglinien und Hotels auf, den Hinterbliebenen entgegenzukommen.
Rechtsanwalt zweier Opferfamilien kritisiert Verschiebung des NSU-Prozesses
Der Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, Vertreter von zwei Opferfamilien im NSU-Prozess, hat die Verschiebung des Prozessbeginns scharf kritisiert. "Ich bin fassungslos und entsetzt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Dienstagausgabe). "Man sollte meinen, dass ein Gericht in der Lage ist, eine Sitzplatzfrage zu klären. Diese Situation hat Slapstick-Charakter bekommen."
Das Oberlandesgericht München will mit dem Prozess nun am 6. Mai beginnen. Grund ist der Streit über die Presseplätze im Gerichtssaal.
Die Akkreditierung für die Presse solle nun von vorn beginnen. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Freitag entschieden, dass das OLG München beim NSU-Prozess eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an ausländische Journalisten vergeben muss. Zuvor hatte die türkische Zeitung "Sabah" gegen die Platzvergabe Verfasssungsbeschwerde eingelegt. Das OLG München müsse "eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten" vergeben, hieß es in der Entscheidung der Karlsruher Richter. Möglich sei demnach ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu eröffnen, in dem nach dem Prioritätsprinzip oder etwa nach dem Losverfahren Plätze vergeben werden. Stattdessen könne das OLG die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln gestalten, so das Bundesverfassungsgericht.
Quelle: dts Nachrichtenagentur