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Palmer: "Stuttgart 21" müsse in vernünftige Bahnen gelenkt werden und der Bahnhof oben bleiben

Archivmeldung vom 30.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Boris Palmer Bild: Björn Láczay
Boris Palmer Bild: Björn Láczay

Tübingens Grünen-Oberbürgermeister Boris Palmer, der als enger Vertrauter des designierten Grünen-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, und für manche als Kandidat für das Amt des Landesverkehrsministers gilt, hat die Beibehaltung eines oberirdischen Stuttgarter Hauptbahnhofs als zentrales Wahlversprechen seiner Partei erneuert. In einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung" sagte Palmer zugleich: "Die Aufgabe ,Stuttgart 21' in vernünftige Bahnen zu lenken und den Bahnhof oben zu behalten und zu modernisieren, ist eine Sache, die mich wirklich umtreibt.". Da gehe es "um Identität".

Den Bahnhof, eines der wenigen großen zentralen Gebäude Stuttgarts, das den letzten Weltkrieg einigermaßen heil überstanden hat, "wollen die Menschen mehrheitlich behalten", schlussfolgert Palmer aus dem Resultat des Wahl- und Volksbefragungstages. "Moderner, mit einer neuen Halle, meinetwegen mit zusätzlichen Gleisen, auf jeden Fall mit schnelleren Verbindungen, aber eben doch oberirdisch."

"Ohne ,Stuttgart 21' hätte Winfried Kretschmann die entscheidenden Prozentpunkte für den Regierungswechsel und für den grünen Ministerpräsidenten nicht gewonnen", sagte Palmer "Wenn ,Stuttgart 21' in der bevorstehenden grünen Regierungszeit einfach so realisiert werden würde, dann wäre das eine wahnsinnige Enttäuschung für wahrscheinlich hunderttausende von Menschen, die ihre Stimme mit der Hoffnung verbunden haben, genau das zu vermeiden", meinte Palmer, der als einer der Wortführer der diskutierenden Anti-"Stuttgart 21"-Bewegung bekannt geworden ist. "Diesen Vertrauensvorschuss müssen wir jetzt rechtfertigen. Wir müssen einen Weg finden, diese Erwartungen auch in Regierungshandeln umzusetzen. Leicht wird es nicht."

Der von der Bahn vorerst verkündete Vergabestopp - ein Atemholen bis zur Regierungswahl - sei plausibel. "Die Deutsche Bahn hat kein Interesse, mit dem Land Baden-Württemberg einen ihrer größten Auftraggeber im Nahverkehr mit 700 Millionen Euro Jahresumsatz zu verprellen." Baden-Württemberg bleibe auch ohne den Tiefbahnhof ein starkes Eisenbahnland. "Und die Bahn sieht wohl ein, dass die Bürger mit der Landtagswahl eine deutliche Antwort über dieses Projekt gegeben haben", sagte Palmer.

Auf die Frage, ob Kretschmann, Palmer und die Grünen angesichts ihres Wahlsieges demütig genug seien, um mit dem Erfolg auch seriös umzugehen, meinte Palmer: "Winfried Kretschmann ist sehr demütig. Der ist ja nicht umsonst Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken." Die Partei der Grünen habe aber auch in ihrer Breite realisiert, "dass Demut die einzige Chance ist, diese besondere Konstellation des Macht- und Regierungswechsels in Baden-Württemberg zu einem Erfolg zu machen".

Man müsse sich ja immer verdeutlichen, dass nahezu die gesamte Wirtschaftselite, die großen Unternehmensverbände, die Verwaltungen, die Landkreise fest in CDU-Hand seien "und dass deswegen eine Regierung, die versuchen würde, hier jetzt handstreichartig oder revolutionär Beschlüsse herbeizuführen, zum Scheitern verdammt wäre", räumte Palmer ein. Sein Rezept, für den Bahnhof und für Baden-Württemberg gleichermaßen gültig: "Baden-Württemberg kann man nur langsam und im Dialog verändern. Mit der Brechstange geht hier gar nichts. Das musste auch Stefan Mappus schmerzhaft lernen. Ich glaube, aus Vernunft heraus ist die Demut bei uns ausreichend ausgeprägt." 

Quelle: Leipziger Volkszeitung

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