Zeitung: Verfassungsschutz zahlte 180.000 Euro an umstrittenen V-Mann "Corelli"
Archivmeldung vom 25.02.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDas Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zahlte an einen V-Mann aus dem NSU-Umfeld insgesamt rund 180.000 Euro Honorar. Das belegen nach Informationen von "Bild am Sonntag" Verfassungsschutz-Akten, die dieser Tage dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages zugingen. Es ist die größte bekannt gewordene Summe für einen V-Mann.
Der SPD-Geheimdienstexperte Thomas Oppermann verlangt deshalb Aufklärung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Es geht um den Neonazi Thomas R., der unter dem Decknamen "Corelli" gespitzelt hat und dessen Kontaktdaten 1998 auf einer Liste der Zwickauer Terrorzelle entdeckt worden waren. Laut den vertraulichen Unterlagen beglich die Behörde auch die fälligen Steuern für ihren V-Mann.
Im Gegenzug spionierte "Corelli" für den Verfassungsschutz 18 Jahre lang in der rechtsextremistischen Musik-Szene, berichtete auch über den deutschen Ableger des Ku-Klux-Klan. Bei dem rassistischen Geheimbund machte "Corelli" Karriere, sodass er zu einem Klan-Treffen in die USA eingeladen wurde. Selbst die Reisekosten zahlte der Verfassungsschutz.
Nach Informationen von "Bild am Sonntag" war die Zusammenarbeit mit dem Neonazi aus Sachsen-Anhalt so eng, dass die Verfassungsschützer befürchteten, "Corelli" könnte vor einem Arbeitsgericht eine Festanstellung bei der Behörde einklagen. Erst im November 2012 schaltete der Dienst "Corelli" ab und brachte ihn in einem Zeugenschutzprogramm unter. Thomas R. lebt heute mit neuer Identität in England.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich auf Anfrage zu "Corelli" nicht äußern. Thomas Oppermann (SPD), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, hält "die Höhe der Honorare und die Dauer des V-Mann-Einsatzes für hochproblematisch".
Der "Bild am Sonntag" sagte er: "Der zuständige Innenminister Hans-Peter Friedrich muss erklären, wieso `Corelli` so viel Geld kassierte. Niemand darf allein von seiner Tätigkeit als V-Mann leben." Angesichts des Falles "Corelli" fordert Oppermann nun ein V-Mann-Gesetz: "Bisher spielt das alles in einem rechtsstaatlichen Graubereich. Wir brauchen endlich klare gesetzliche Grundlagen für den Einsatz von Informanten."
Magazin: Ermittlungen gegen weiteren NSU-Verdächtigen
Im Fall der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) hat die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet. Am 28. Januar leitete Generalbundesanwalt Harald Range ein Ermittlungsverfahren gegen einen weiteren Verdächtigen ein, berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Bei dem nunmehr 14. Beschuldigten handelt es sich um den Thüringer Neonazi André K., einen einstmals engen Vertrauten der NSU-Gründer Uwe B. und Uwe M.. Dem 37-Jährigen wird die "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" vorgeworfen.
Hintergrund sind neue Erkenntnisse des Bundeskriminalamts (BKA), wonach sich K. am Tag des gewaltsamen Endes der NSU-Terroristen am 4. November 2011 in der Nähe ihres Wohnmobils in Eisenach aufhielt. Auf seine Spur waren die Fahnder durch die Auswertung von Mobilfunkdaten gekommen: Knapp zwei Stunden nachdem M. erst seinen Komplizen und dann sich selbst erschossen hatte, buchte sich ein von K. genutztes Handy etwa zwölf Minuten lang in einer Eisenacher Funkzelle ein genau in dem Sendebereich, in dem sich das Wohnmobil mit den Leichen der beiden befand.
Laut einem Vermerk des BKA bestehe nun der Verdacht, dass K. die Komplizin des Duos, Beate Z., "über den Tathergang informiert" haben könnte, bevor sie das letzte NSU-Versteck in Zwickau in Brand setzte und flüchtete. Bislang hatten die Ermittler nicht klären können, wie Z. damals vom Tod ihrer Gesinnungsgenossen erfuhr.
Am 5. Februar hatten Fahnder André K.s Wohnung durchsucht und den Rechtsextremisten vernommen. Der lieferte ihnen jedoch eine plausibel klingende Erklärung für seine Anwesenheit in der Nähe des Tatorts: Am fraglichen Tag sei er mit seinem Vater in der Nähe von Eisenach unterwegs gewesen, wegen eines Autokaufs.
Möglicherweise habe sich sein Handy von der Autobahn aus in die betreffende Funkzelle eingebucht. Vom Tod der beiden Ex-Kameraden zu denen er seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt habe will K. erst später aus den Medien erfahren haben. Damit, so heißt es in Ermittlerkreisen, habe sich der Verdacht gegen ihn zunächst "relativiert"; allerdings sei die Auswertung der bei K. sichergestellten Beweismittel noch in vollem Gange.
Quelle: dts Nachrichtenagentur