ARD-Magazin "Panorama": Erstes offenes Fernseh-Interview mit deutschem IS-Rückkehrer
Archivmeldung vom 16.07.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittErstmals hat sich ein deutscher IS-Rückkehrer in einem offenen Fernseh-Interview gegen den Islamischen Staat gestellt. Gegenüber einem Team von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung erklärte der Wolfsburger Ebrahim B., er wolle sich deutlich vom IS distanzieren. Der habe nichts mit dem Islam zu tun, Gefängnis in Deutschland sei ihm "lieber als Freiheit in Syrien".
Ebrahim B. gehört zu einer Gruppe von mindestens 20 jungen Männern aus Wolfsburg, die sich seit 2013 der Terrororganisation "Islamischer Staat" angeschlossen haben. Mindestens sieben sind bereits im Irak oder in Syrien gestorben. Ebrahim B. ist im September 2014 - nach drei Monaten beim IS - nach Deutschland zurückgekehrt. Er wurde im November verhaftet. Seitdem sitzt der 26-Jährige in einem niedersächsischen Gefängnis. Dort hat er sich entschieden, von seiner Zeit beim IS zu berichten.
In dem Interview, das heute im ARD-Magazin "Panorama" um 21.45 Uhr zu sehen ist, spricht er über Gräueltaten des IS. Wer in Verdacht gerate, ein Spion zu sein, werde man "abgeschlachtet". Er selbst sei kurzfristig verdächtigt worden. Mit anderen sei er in eine blutverschmierte Zelle gesperrt worden. Einer von ihnen sei brutal hingerichtet, seine Leiche mit abgetrenntem Kopf vor ihnen in den Raum gelegt worden. Bei der Polizei gab er an, es gebe eine Art Verfassungsschutz beim IS, in dem deutsche Kämpfer das Sagen hätten.
Die Bundesanwaltschaft hat im Mai Anklage gegen Ebrahim B. "wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" erhoben. Sie geht auch davon aus, dass er vom IS als Selbstmordattentäter eingesetzt werden sollte. Im August soll ihm vor dem Oberlandesgericht Celle der Prozess gemacht werden.
Ebrahim B. ist einer von etwa 260 IS-Rückkehrern aus Syrien und dem Irak. Nach der Verhaftung bot er seine Kooperation an. Bislang sind etwa 700 deutsche Islamisten in den Krieg ausgereist. Die Behörden gehen davon aus, dass mittlerweile mehr als neunzig von ihnen gestorben sind, darunter mindestens sieben Dschihadisten, die aus Wolfsburg stammten.
Die öffentliche Distanzierung vom IS durch Ebrahim B. bewertet der Terrorismus-Experte Peter Neumann, Professor am Londoner King's College, als "ganz wichtig": "Wir haben in Europa lange Zeit darauf gewartet, dass es solche Leute gibt." Er hoffe, dass Ebrahim B.'s mutiges Beispiel andere dazu bewege, ihm nachzufolgen. Sie könnten den Mythos zerstören, den der IS verbreite - alle, die dort hingingen seien "unglaublich glücklich, entschlossen und motiviert". "Wenn es gelingt, durch solche Aussteiger auch nur fünf oder zehn Prozent Zweifel zu säen, dann könnte man möglicherweise viele Leute davon abhalten, nach Syrien zu gehen", so Neumann.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)