Historiker und Stasi-Experte Hubertus Knabe kritisiert Birthler-Behörde
Archivmeldung vom 23.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, der Historiker Hubertus Knabe, hat im Zusammenhang mit der Stasi-Akte des Ohnesorg-Todesschützen Karl-Heinz Karras die Birthler-Behörde scharf kritisiert.
Im "Tagesspiegel" sagte er: "Mich irritiert, dass diese Akten offenbar zufällig gefunden wurden. Das dürfte so lange nach Gründung der Birthler-Behörde nicht passieren. Es gibt noch 16000 Säcke mit zerissenen Akten, die nicht zusammengesetzt werden, obwohl die Technik da ist."
Knabe kritisierte auch die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit: "Der Bundestag weigert sich nach wie vor, seine Vergangenheit zu beleuchten. Es wäre doch interessant, was sich zum Beispiel in der SPD an Agenten getummelt hat. Da sind bei Parteitagen ganze Anträge von der Stasi initiiert worden, etwa die Nachrüstung", sagte Knabe dem Tagesspiegel.
Feindbilder der 68er hätten damals so nicht funktioniert
Nach Ansicht des Historikers Hubertus Knabe hätten "die Feindbilder der 68er so nicht funktioniert", wenn schon damals bekannt gewesen wäre, dass der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras, der 1967 Benno Ohnesorg erschoss, Stasi-Spitzel und Mitglied der SED war. "Die Proteste zogen eine wesentliche Kraft daraus, dass hier ein unschuldiger Student von der Polizei des Klassenstaats kaltblütig erschossen wurde. Für diese Interpretation wäre kein Platz mehr gewesen", sagte Knabe, der Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen ist, dem Berliner "Tagesspiegel". Ohnesorgs Tod sei für viele 68er "bis heute ein Mythos, ein Schüsselerlebnis. Das steht nun in einem anderen Licht da."
Eine direkte Einwirkung der Stasi auf den Todesschuss hält Knabe für "unwahrscheinlich, weil das Ereignis kaum planbar war. Kurras wusste am Morgen sicher noch nicht, dass er am Abend einen Studenten erschießen würde", sagte der Historiker.
Quelle: Der Tagesspiegel