Stellungnahme zur Verhaftung des Sozialwissenschaftlers Andrej H.
Archivmeldung vom 04.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm Dienstag, 31. Juli, ist der Berliner Sozialwissenschaftler Andrej H. mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen worden. Andrej H. ist einer der vorgesehenen Referenten bei der Attac-Sommerakademie, die noch bis Sonntag in Fulda stattfindet. Der Wissenschaftliche Beirat von Attac hat eine Stellungnahme zu der Verhaftung verfasst.
Mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung nach § 129a StGB sind am 30. und 31. Juli vier Personen
festgenommen worden. Der Wissenschaftliche Beirat von Attac verurteilt
das aktuelle Verfahren und die Begründung der Haftbefehle. Sie
verlassen den Boden der Rechtsstaatlichkeit und stehen für eine
Ausweitung der Terrorismus-Ausnahmegesetzgebung. Wie die Verteidiger
formulieren: Es wird das "versuchte In-Brand-Setzen von drei Auto
unter Ausschluss einer Personengefährdung als Terrorismus" bezeichnet.
Der Wissenschaftliche Beirat von Attac kritisiert insbesondere, dass
die wissenschaftliche Tätigkeit von Andrej. H. als Begründung für den
ergangenen Haftbefehl herangezogen wird:
- Als Verdachtsmoment wird eine von Andrej H. im Jahr 1998
veröffentliche wissenschaftliche Abhandlung angeführt. Diese enthalte
Schlagwörter und Phrasen, die in Texten der "Militanten Gruppe" (mg)
gleichfalls verwendet werden.
- Als promovierter Politologe und Promotionsstipendiat sei Andrej H.
zudem "intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der
Militanten Gruppe zu verfassen".
- Desweiteren stünden ihm "als Mitarbeiter eines Forschungszentrums
Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur
Erstellung der Texte der Militanten Gruppe erforderlichen Recherchen
durchzuführen".
- Für eine Mitgliedschaft in der Militanten Gruppe spreche ferner,
dass Andrej H. in einem im Juni 2005 veröffentlichten Artikel über
einen fehlgeschlagenen Anschlag der terroristischen Vereinigung "RZ"
berichtete und derselbe Anschlag in einem Text der Militanten Gruppe
vom Frühjahr 2005 thematisiert wurde.
- Zudem verfüge Andrej H. als Promotionsstipendiat "über die
intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen
der vergleichweise anspruchsvollen Texte der Militanten Gruppe
erforderlich sind".
Dadurch wird kritische Gesellschaftsanalyse nicht nur kriminalisiert,
sondern unmittelbar dem Terrorismusverdacht ausgesetzt. Die bekannt
gewordenen Begründungen aus dem Haftbefehl sind eine Beleidigung für
den gesunden Menschenverstand und würden - wenn sie von der
Gesellschaft akzeptiert werden - die Grundlagen jeder kritischen
Öffentlichkeit in einer freien Gesellschaft zerstören. Wenn sie als
Indizien für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
gelten, dann wird kritische Wissenschaft unter Generalverdacht
gestellt.
Der Beirat befürchtet, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und
das Bundeskriminalamt einen Prozess in Gang setzen, der den
Rechtsstaat in Deutschland substantiell untergräbt. Dieser Prozess
begann mit der Kriminalisierung der Vorbereitung der Proteste gegen
den G8-Gipel. Es wurden Büros, Buchläden und Wohnungen - wieder
gestützt auf den rechtsstaatlich umstrittenen Paragrafen 129 a StGB -
in einem Umfang durchsucht, der seit den 1970er Jahren unbekannt ist.
Die Gefahr einer solchen Form der Kriminalisierung und Ausgrenzung
könnte darin liegen, dass durch diese staatliche Aktion erst das
konstruiert und provoziert wird, was vorgeblich verhindert werden
soll: Terrorismus.
Der Wissenschaftliche Beirat von Attac fordert von den
Verantwortlichen, das Verfahren gegen Andrej H. einzustellen, ihn auf
freien Fuß zu setzen und zu einer rechtstaatlichen Arbeitsweise
zurückzukehren.
Quelle: Pressemitteilung Attac Deutschland