Bayerns Innenminister warnt vor weiterer Verzögerung des NSU-Prozesses
Archivmeldung vom 14.05.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtBayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat vor einer weiteren Verzögerung des NSU-Prozesses am Münchener Oberlandesgericht gewarnt. "Es ist meines Erachtens wichtig, dass wir uns nicht nur mit Äußerlichkeiten aufhalten. Im Mittelpunkt steht: Hier sind Neonazis schwerster Straftaten angeklagt, des Mordes und weiterer Anschläge", sagte Herrmann dem TV-Sender "Phoenix".
Es müsse "Klarheit" darüber geschaffen werden, wer die wirklich Schuldigen sind. "Es ist wichtig, dass am Schluss die Angeklagten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden", sagte er. Seiner Einschätzung nach könnten "türkischstämmige Mitbürger" in Deutschland sicher leben.
"Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ist auch für Türken in Bayern niedriger, als wenn sie Zuhause in der Türkei leben. Das muss man vom Sicherheitsstandard klar sehen", sagte Herrmann und fügte hinzu: "Aber klar ist auch, dass wir sehr betroffen sind über diese schreckliche Mordserie."
Verbindungen zwischen NSU und europaweitem Terrornetzwerk
Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) ist offenbar in ein europaweites Netzwerk von Neonazis eingebettet gewesen. Darauf weisen Dokumente des NSU, Aussagen von mutmaßlichen Unterstützern und weitere Erkenntnisse deutscher Ermittlungsbehörden hin, über die der Sender ZDFinfo in der Dokumentation "Brandstifter im Staatsauftrag" berichtet.
Demnach sah sich der NSU in der Tradition von Blood & Honour, einem europaweiten Neonazi-Netzwerk, das für den bewaffneten Kampf gegen Ausländer und Andersdenkende wirbt. Im ausgebrannten Haus des Trios in Zwickau fanden die Ermittler im Dezember 2011 die Datei eines Briefs an die Unterstützer des NSU. Darin geht es um gezielte Aktionen "vorrangig gegen Ausländer", umgesetzt "durch unabhängige Kampfzellen".
Es ist die Strategie von Combat 18, dem bewaffneten Arm des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour. Combat 18 rechtfertigt politische Morde und verbreitet Anleitungen zum Bombenbau. Die Anschläge sollen von Terrorzellen ausgeführt werden, die auf eigene Faust unabhängig voneinander operieren.
NSU-Prozess: Opferanwalt rechnet mit weiterer Verzögerungstaktik
Der Berliner Anwalt Mehmet Daimagüler, der beim NSU-Prozess in München zwei Opferfamilien vertritt, rechnet damit, dass die Verteidigung den Prozess um Monate verzögern könnte. Solche Erfahrung habe man auch schon bei den RAF-Prozessen machen könne. Die angesetzten 80 Verhandlungstage würden vermutlich nicht ausreichen. "Aber nicht alles was legal ist, ist auch legitim", sagte er am Dienstag unmittelbar vor Beginn des zweiten Prozesstages vor dem Oberlandesgericht München.
Die Verteidigung hatte bereits am ersten Verhandlungstag das Verlesen der Anklageschrift erfolgreich durch das Stellen von Befangenheitsanträgen gegen die Richter verhindert. Diese waren zwar allesamt abgelehnt worden, hatten aber die Fortsetzung des Prozesses aber um Tage verzögert.
NSU-Prozess: Verteidiger fordern größeren Gerichtssaal
Beim NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht haben die Verteidiger der Angeklagten Beate Z. die Aussetzung der Verhandlung und die Verlegung in einen größeren Saal verlangt. "Es geht darum, dass aus unserer Sicht hier in diesem Sitzungssaal nicht weiter verhandelt werden kann", erklärte Anwalt Wolfgang Heer am Dienstag.
Derzeit sei eine ordnungsgemäße Zeugenvernehmung nicht möglich, weil der Raum zu klein sei. Zudem verletze die Kapazität des Saales den Grundsatz der Öffentlichkeit. Das Gericht unterbrach anschließend die Sitzung zur Mittagspause. Die Verteidiger hatten bereits am ersten Prozesstag mehrere Befangenheitsanträge gestellt, die allerdings allesamt abgeschmettert wurden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur