Ehemaliger "Vatikan-Escort": "Vielleicht habe ich auch dem einen oder anderen Priester mit seinem Outing einen Gefallen getan"
Archivmeldung vom 27.03.2018
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Freigeschaltet durch André OttFrancesco Mangiacapra, der sieben Jahre als Prostituierter in Rom gearbeitet hat, wollte mit seiner spektakulären Outing-Aktion katholischer Priester "keinen Kreuzzug gegen sie als Schwule oder als Priester führen, sondern gegen die Heuchelei". Das sagt Mangiacapra in der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe des stern über seine spektakuläre Outing-Aktion katholischer Priester.
In einem 1233 Seiten starken Dossier hat Mangiacapra eindeutige Chatverläufe, Zahlungsbelege und explizite Fotos der betroffenen Prieser gesammelt und diese an Crescenzio Kardinal Sepe, dem Erzbischof von Neapel, weitergereicht. Im stern spricht er nun in einem ausführlichen Interview über seine Beweggründe.
Mangiacapra, der selbst vor zehn Jahren aus der Kirche ausgetreten ist, sei nach und nach erst bewusst geworden, dass seine geistlichen Kunden eine Art Netzwerk gebildet hätten, in dem sie sich untereinander Callboys vermittelt hätten, berichtet er. "Es sind nicht einzelne verirrte Seelen, die ihre sexuelle Not befriedigen, sondern es hat System." Zum Outing der etwa 40 - 50 betroffenen Priester entschloss er sich, nachdem er permanent mit der Doppelmoral seiner Klienten konfrontiert gewesen sei.
"Priester sind Leute, die sich eine moralische Funktion zuschreiben, auf ihren Kanzeln stehen und ein Weltbild predigen, gegen das sie selbst verstoßen", sagt Mangiacapra. Er beansprucht aufklärerische Ziele für seine Aktion. "Ich weiß, das klingt immer seltsam, wenn ein Prostituierter sich als sozialer Vorkämpfer präsentiert, aber das ist meine Motivation. (...) Ich bin homosexuell und weiß, was es für die LGBT-Community bedeutet, dass unsere Gesellschaft von den Wertvorstellungen der Kirche geprägt ist. Es betrifft mich ganz persönlich, und ich habe jedes Recht der Welt, diese Doppelmoral öffentlich zum machen."
Als besonders unangenehm habe der 37-jährige Callboy es empfunden, mit welcher Überheblichkeit die Priester sich ihm gegenüber rechtfertigten. "Sie sind eher der Ansicht, dass ihnen das zusteht", so Mangiacapra. "Das hat mich eben so zornig gemacht, schließlich musste ich mir meine sexuelle Freiheit erkämpfen. Sie nehmen sich das Recht aus einer Überheblichkeit heraus, obwohl sie es bei anderen verdammen."
Trotz anonymer Drohungen und enormer Einbußen in seinem Geschäft, bereut Mangiacapra seine Aktion nicht. Dass Papst Franziskus auf Homosexuelle zugegangen ist, will Mangiacapra nicht anerkennen. "Dann hören Sie bitte genau hin: Er richtet nicht über Homosexuelle - solange sie keinen Sex haben. Nein danke, das ist kein Fortschritt."
Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)