Studie: Schulabbrecherquote bundesweit erneut gestiegen
Archivmeldung vom 15.08.2019
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Freigeschaltet durch André OttIn der Bildungspolitik geht der Trend in die falsche Richtung. Die Schulabbrecherquote stieg allein binnen eines Jahres von 5,7 auf 6,3 Prozent an - unter Ausländern sogar von 14,2 auf 18,1 Prozent.
Das ist eines der Ergebnisse des INSM-Bildungsmonitor 2019, der heute veröffentlicht wurde. "Dieser Fehlentwicklung dürfen die zuständigen Politiker in Bund und Ländern nicht tatenlos zusehen. Die bisherigen Anstrengungen reichen offensichtlich nicht aus. Wenn in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen-Anhalt prozentual fast doppelt so viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen wie in Hessen, Hamburg und Bayern, ist nicht nur die Chancengerechtigkeit in Gefahr", so INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.
Der INSM-Bildungsmonitor 2019 zeigt insgesamt: Die leistungsfähigsten Bildungssysteme haben Sachsen und Bayern gefolgt von Thüringen, dem Saarland, Hamburg und Baden-Württemberg. Gegenüber dem Vorjahr konnte Bayern seine gute Position noch einmal verbessern und auf Platz zwei vorrücken. Bemerkenswert sind auch die Fortschritte im Saarland, das einen Sprung auf Platz 4 schaffte. Und Bremen konnte immerhin die rote Laterne wieder an Berlin zurückgeben. In der Mehrzahl der Bundesländer und Handlungsfelder gab es keine Fortschritte, sondern steigende Herausforderungen.
Während die Bildungspolitik in den letzten Jahren durchaus die Ausgaben erhöht, die Betreuungsrelationen an den Schulen verbessert und die Förderinfrastruktur gestärkt hat, reichen die Anstrengungen unterm Strich nicht aus, um die Teilhabechancen der jungen Menschen zu sichern. So sind im Bildungsmonitor in den letzten Jahren vor allem in den Handlungsfeldern Integration, Bildungsarmut und Schulqualität die größten Verschlechterungen festzustellen.
Die Förderung der Durchlässigkeit des Bildungssystems und der Sicherung von Teilhabechancen sind daher die zentralen Herausforderungen der Bildungspolitik in den kommenden Jahren. Hierzu wären eine Stärkung der Sprachförderung an Kitas, der weitere Ausbau an Ganztagsschulen, eine nach Sozialindex differenzierte Bildungsfinanzierung und mehr Vergleichsarbeiten an Schulen mit darauf aufbauenden Förderangeboten sinnvoll. Um die digitale Grundbildung zu sichern, sollte der Digitalpakt zügig umgesetzt, die digitale Infrastruktur dauerhaft sichergestellt und ein Ideenwettbewerb um die besten digitalen Lehrmethoden entfacht werden. Ferner sind bestehende soziale Unterschiede bei der ökonomischen Bildung zu verringern und eine ökonomische Grundbildung bundesweit sicherzustellen. Lehrkräfte sind in den Bereichen Integration, Digitalisierung und ökonomische Bildung entsprechend zu qualifizieren.
Dies sind die zentralen Ergebnisse des INSM-Bildungsmonitor 2019. Die Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) untersucht, inwieweit die Bundesländer Bildungsarmut reduzieren, zur Fachkräftesicherung beitragen und Wachstum fördern. Der Bildungsmonitor wird in diesem Jahr zum 16. Mal veröffentlicht.
Aus Sicht der INSM braucht es eine Doppelstrategie. Pellengahr: "Mehr Geld allein macht noch keine gute Bildung. Auch wenn die Bildungsausgaben zunehmen und der Staat mehr in Kita und Ganztagsschule investiert - das Geld muss vor allem effektiver eingesetzt werden. Der in den vergangenen Jahren im Bildungsmonitor beobachtete Rückschritt in wichtigen Handlungsfeldern ist alarmierend. Wir schlagen daher vor: Mehr bundesweit vergleichbare Tests und mehr Handlungsfreiheit für die Schulen, um einen Ideenwettbewerb zu entfachen sowie gleichzeitig mehr nach einem, die familiären Hintergründe der Schüler erfassenden, Sozialindex differenzierte Mittel für die Bildungspolitik, um die Schwächsten besser zu fördern. Die Herausforderungen an ein modernes Bildungssystem reichen dabei von Durchlässigkeit und Integration bis zur Sicherung von digitaler und ökonomischer Grundbildung."
Der INSM-Bildungsmonitor macht deutlich, dass eine Reformagenda für das Bildungssystem notwendig ist. Notwendige Mittel sollten dafür zielgerichtet eingesetzt werden.
Studienleiter Prof. Dr. Axel Plünnecke vom IW erklärt: "Wir brauchen dringend einen weiteren Ausbau von Kita-Plätzen und Ganztagsschulen, mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung, Investitionen in digitale Bildung und mehr Mittel zur individuellen Förderung in sozialen Brennpunkten." Plünnecke weiter: "Aktuell werden von Staat und Privat in Deutschland gut neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung ausgegeben - diese Marke sollte auf zehn Prozent steigen. Durch mehr gezielte Ausgaben in Forschung und Bildung können Wirtschaftswachstum und Teilhabe gestärkt und dadurch der Wohlstand langfristig gesichert werden."
Zur Studie "Bildungsmonitor"
In die Studie Bildungsmonitor 2019 werden 93 Indikatoren einbezogen. Dazu gehören Indikatoren zur Beschreibung der Infrastruktur, beispielsweise die Verfügbarkeit von Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten sowie die Betreuungsrelationen an Schulen. Untersucht werden auch Indikatoren, die den Zugang zu Bildung beschreiben, wie Schulabbrecherquoten, Abbrecherquoten von Ausländern und der Anteil der Schüler, die von Bildungsarmut betroffen sind, sowie Indikatoren, die die Qualität der schulischen Leistung und den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen abbilden. Damit messen die Indikatoren sowohl Aspekte der Bildungsgerechtigkeit als auch Impulse des Bildungssystems zur Stärkung der Qualifikationsbasis der Volkswirtschaft. Die zugrunde liegenden Daten beziehen sich zumeist auf das Jahr 2017 oder 2018. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine aktuelleren statistischen Daten in Deutschland vor.
Neben einer Bestandsaufnahme zur Leistungsfähigkeit des Bildungssystems werden die Ergebnisse des Bildungsmonitors 2019 auch mit dem Jahr 2013 verglichen. So gibt die Studie auch darüber Auskunft, welches Bundesland die größten Verbesserungen in seinem Bildungssystem erreicht hat.
Quelle: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) (ots)