Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt Eingang der Klage von Conterganopfern gegen Deutschland
Archivmeldung vom 14.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt den Eingang der Klage der Arbeitsgemeinschaft des Contergannetzwerkes Deutschland gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit der Klage beschweren sich die 11 contergangeschädigten Schwerbehinderten der Arbeitsgemeinschaft, dass der deutsche Staat den Conterganskandal ermöglicht hat, indem er es pflichtwidrig unterließ, adäquate Arzneimittelschutzgesetze zu erlassen, 4 Gesetzgebungsversuche seien seit dem Jahr 1928 aufgrund des pharmazeutisch-industriellen Einflusses gescheitert und erst im Zuge der Römischen Verträge musste Deutschland als letztes Land im gesamten EWR-Raum zu Schutzvorschriften gezwungen werden.
Selbst nach der Contergantragödie habe der Staat einseitig zu Gunsten der Firma Grünenthal eingegriffen und diese Firma, mitsamt ihren Eigentümern, per Gesetz von allen Forderungen der Conterganopfer ausdrücklich freigestellt, ohne die hieraus resultierende Versorgungsverpflichtung den Geschädigten gegenüber zu erfüllen, womit ein Verstoß gegen das 1. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention vorläge. Bis zum 01.07.2008 betrugen die Conterganrenten 545 Euro, die nach dem Fernsehfilm "Eine einzige Tablette" auf nunmehr bis zu höchstens 1116 Euro angehoben wurden.
Damit sei kein selbstbestimmtes Leben ohne Arme und/oder Beine möglich, führte Christian Stürmer, der Vorsitzende des Contergannetzwerkes aus. Daran ändere auch die 50 Millionen-Euro-Spende von Grünenthal nichts. Da die Firma die Auflage erteilte, dass das Geld über 25 Jahre aufgeteilt wird, erhält hiervon umgerechnet ein Conterganopfer ohne jegliche Gliedmaßen monatlich rd. 300,-- und ein mittelfach Geschädigter rd. 191 Euro. Es herrscht oft bitterste Armut unter den Opfern, so Christian Stürmer. Vor der ca. 2000 Seiten umfassenden Klage in Straßburg hat das Bundesverfassungsgericht 2 Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil der deutsche Staat angeblich seinen Pflichten nachgekommen sei; Kriegsversehrte, Impfgeschädigte und Opfer privater Gewalttaten hätten jeweils "Sonderopfer" erbracht, Contergangeschädigte hingegen nicht. Die Kläger hoffen, dass ihnen wenigstens auf europäischer Ebene zu ihrem Recht verholfen wird.
Quelle: Contergannetzwerk Deutschland