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Kardinal Woelki warnt vor Aushöhlung des Asylrechts durch EU-Beschlüsse

Archivmeldung vom 23.10.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.10.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Rainer Maria Woelki (2014)
Rainer Maria Woelki (2014)

Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki warnt vor einer Aushöhlung des Asylrechts durch ein gemeinsames europäisches Asylsystem. "Viele der vorgeschlagenen Regelungen hätten gravierende Auswirkungen auf die nationalen Asylsysteme", sagte Woelki der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" zum jüngsten Beschluss der EU-Staaten, sich in der ersten Jahreshälfte 2018 auf ein gemeinsames Asylsystem zu einigen.

"Zunächst soll geprüft werden, ob nicht ein anderer Staat für die Schutzgewährung zuständig sein könnte. Hierbei wird auch darüber nachgedacht, die Kriterien für einen sicheren Drittstaat derart aufzuweichen, dass viele Schutzsuchende in der EU überhaupt keinen Antrag auf Asyl mehr stellen könnten", kritisierte Woelki. Mit Blick auf die Regierungsbildung in Berlin mahnte er: "Diese europäische und in gewisser Weise globale Dimension des Flüchtlingsschutzes muss von den Partnern einer künftigen Regierungskoalition unbedingt berücksichtigt werden, bevor auf europäischer Ebene Fakten geschaffen werden." Die Debatte in der Union um eine Obergrenze nannte Woelki eine "Scheindiskussion, die kein einziges Problem löst und die auch nur ablenkt von den wahren Gründen von Flucht und Migration".

Anbei die entsprechende Passage aus dem Interview im Wortlaut:

Markieren die neuen Diskussionen über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland einen Stimmungswandel in der Bevölkerung, oder sind sie den Koalitionsverhandlungen geschuldet? Woelki Zunächst einmal müssen wir ja positiv festhalten, dass keine starre Obergrenze beschlossen wurde. Und dass nach wie vor ein politischer Konsens darin besteht, dass keine Schutzsuchenden an der Grenze zurückgewiesen werden sollen.

Und die Debatte um eine Obergrenze? Woelki Das ist vor diesem Hintergrund nur eine Scheindiskussion, die kein einziges Problem löst und die auch nur ablenkt von den wahren Gründen von Flucht und Migration. Nach unserem Grundgesetz darf überhaupt keine Obergrenze eingeführt werden. Genau darum muss es - wie wir immer wieder fordern - neben dem Recht auf Asyl auch eine legale Einwanderung geben. Es muss also endlich ein Einwanderungsgesetz her. Und diesem Problem vor allem müssen die politischen Parteien sich jetzt stellen.

Die Stimmung im Land, also in der Bevölkerung, hat sich Ihrer Meinung nach demnach nicht gewandelt? Woelki Ich habe schon den Eindruck, dass die Stimmung sich teilweise gedreht hat. Und dass die Sorge bei manchen Menschen vor einer möglichen Überfremdung besteht. Aber angesichts der Zahlen von Flüchtlingen, die tatsächlich zu uns gekommen sind, kann man dieser Sorge die berechtigte und begründete Hoffnung entgegensetzen, dass Deutschland die Herausforderung meistert. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass genau diese Sorge von bestimmter politischer Seite instrumentalisiert wird. Es werden Angstgefühle geschürt; die Menschen sollen glauben gemacht werden, dass es nicht für alle reicht und uns ein Stück unseres Wohlstandes genommen werde. Wir dürfen aber auf keinen Fall in eine Neiddebatte eintreten.

Welche Bedeutung haben dabei die Verhandlungen über das gemeinsame europäische Asylsystem, die derzeit in Brüssel geführt werden? Woelki Eine ganz entscheidende In Brüssel wird gerade über grundlegende Änderungen des gemeinsamen europäischen Asylsystems diskutiert. Viele der vorgeschlagenen Regelungen hätten gravierende Auswirkungen auf die nationalen Asylsysteme. Der Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb der EU soll erheblich erschwert werden. Zunächst soll nämlich geprüft werden, ob nicht ein anderer Staat für die Schutzgewährung zuständig sein könnte. Hierbei wird auch darüber nachgedacht, die Kriterien für einen sicheren Drittstaat derart aufzuweichen, dass viele Schutzsuchende in der EU überhaupt keinen Antrag auf Asyl mehr stellen könnten. Diese europäische und in gewisser Weise globale Dimension des Flüchtlingsschutzes muss von den Partnern einer künftigen Regierungskoalition unbedingt berücksichtigt werden, bevor auf europäischer Ebene Fakten geschaffen werden.

Quelle: Rheinische Post (ots)

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