WDR-Magazin "Westpol": Nach dem Heimkinderskandal: Auch Psychiatrieopfer der 50er und 60er Jahre klagen an
Archivmeldung vom 04.03.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach dem Skandal um Misshandlungen in Heimen der 50er und 60er Jahre in Deutschland fordern nun auch Kinder, die damals in der Psychiatrie Opfer von Gewalt geworden sind, Entschädigung. Im Interview mit dem WDR-Magazin WESTPOL schätzt Peter Schruth, Ombudsmann der ehemaligen Heimkinder, dass in den 50er und 60er Jahren zwischen 8.000 und 15.000 Kinder in den Kinder- und Jugendpsychiatrien Gewalt ausgesetzt waren.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Gewalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie System hatte. "Sie ist auf jeden Fall strukturell verankert gewesen", so Dr. Thorsten Noack vom Institut für Geschichte der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gegenüber WESTPOL. "Das heißt sie ist sicherlich eine alltägliche Erfahrung von Patientinnen und Patienten gewesen." Dr. Thorsten Noack forscht derzeit zur Geschichte der Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Institutionen des Landschaftsverbandes Rheinland seit 1945.
Jürgen Schubert, 67, hat als Kind in der Psychiatrie Gewalt erlebt. Er war von 1949 bis 1964 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marsberg im Sauerland. "Das war hart. Schon als Kind merktest du das, dass man nie wieder ein Bein an die Erde kriegte." Gegenüber WESTPOL berichtet er von Schlägen, Zwangsmedikation und Isolation in Einzelzellen.
Auch der Dortmunder Wolfgang Petersen, 60, ist als Kind in der Psychiatrie misshandelt worden. "Einmal wurde ich also dann auch am Bett den ganzen Tag fixiert. So dass ich nicht auf Toilette gehen konnte", so Wolfgang Petersen gegenüber WESTPOL. "Dann kriegte ich noch mal Prügel, weil ich ins Bett gemacht hatte." Darum hat er sich entschieden im Namen aller Betroffenen eine Petition an den Bundestag zu schicken.
Peter Schruth unterstützt die Petition der Psychiatrieopfer. Er fordert die Verantwortlichen zum Handeln auf. "Sie haben sich jetzt dem Thema zu stellen. Die Runden Tische wie sie waren reichen nicht aus. Sie haben das Thema ausgespart", so Peter Schruth im Interview gegenüber WESTPOL. "Das Thema muss untersucht werden - die Gesellschaft muss eine politische Anerkennung des Leids und des zugefügten Unrechts aussprechen und es müssen Leistungen mit den Betroffenen abgestimmt werden. Leistungen, die sie brauchen, die ihnen weiterhelfen, die ihnen Erleichterung geben. Und jetzt sind der Bundestag, sind die Länder, sind die Kirchen dazu aufgeordert endlich die Tür zu diesem Thema aufzumachen."
Quelle: WDR Westdeutscher Rundfunk (ots)