Missbrauchsbeauftragter warnt vor sexualisierter Gewalt an Schulen
Archivmeldung vom 22.02.2018
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Freigeschaltet durch André OttDer Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, kritisiert das mangelhafte Engagement der Politik für einen besseren Schutz von Schülern vor sexualisierter Gewalt. "Viele Schulen sind leider noch immer kein Schutzraum für Kinder und Jugendliche, die Hilfe suchen", sagte Rörig "Zeit-Online" und der Wochenzeitung "Die Zeit". Auf die öffentliche Empörung nach den Missbrauchsskandalen am Berliner Canisius-Kolleg oder der hessischen Odenwaldschule seien zu wenige Präventionsmaßnahmen gefolgt.
Rörig appellierte an Kultusministerien und Schulleitungen, endlich ihrer Verantwortung für den Kinderschutz gerecht zu werden. Außerdem forderte Rörig, sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Minderjährigen an Schulen sollten grundsätzlich verboten werden. Bisher ist ein solcher Kontakt nur zwischen Schülern und pädagogischen Personal strafbewehrt. "Der Hausmeister darf allerdings immer noch mit einer 14-Jährigen aus der eigenen Schule ins Bett gehen", sagte Rörig. "Das sehe ich kritisch. Ich bin der Meinung, man sollte das Verbot auf alle Erwachsenen aus der Schulcommunity ausdehnen."
Acht Jahre nach dem ersten Beschluss der Kultusministerkonferenz 2010 haben weiterhin die wenigsten Schulen das geforderte Schutzkonzept gegen sexuelle Übergriffe eingeführt. Das geht aus einer Befragung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) hervor, berichten die beiden Medien. Nur 13 Prozent der befragten Schulen gaben an, inzwischen ein umfassendes Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt erarbeitet zu haben. Die Studie belegt, dass die Umsetzung der Schutzkonzepte stagniert. Nur weitere drei Prozent der Schulen planen, sich in diesem Schuljahr erstmals mit Ansätzen zur Prävention sexueller Gewalt zu beschäftigen.
Damit sich Schulen überhaupt mit dem Thema sexualisierter Gewalt auseinandersetzen, muss in den meisten Fällen zunächst etwas passiert sein, fanden die DJI-Forscher heraus. 48 Prozent der Schulen mit Schutzkonzept gaben an, Anstoß dafür sei ein konkreter Vorfall an der Schule gewesen. Weitere 38 Prozent nennen einen konkreten Vorfall im weiteren Umfeld der Schule als Anlass. Vorgaben der Schulbehörden (neun Prozent) oder die Leitlinien des Runden Tischs (3,5 Prozent) haben offenbar so gut wie keine Wirkung. Das DJI hatte rund 7.500 Schulen befragt, rund 1.500 Schulen antworteten. Der ehemalige Leiter des Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, bestätigte die Ergebnisse der Forscher. "Kein Mensch interessiert sich für dieses Thema. Die Einzigen, die sich mit Missbrauch wirklich auseinandersetzen, sind betroffene Schulen", sagte Mertes "Zeit-Online". Mertes warnte, dass die Anzeichen von Missbrauch allzu leicht übersehen würden. "Die meisten Täter haben sich ja nicht wirklich versteckt, nicht bei uns an der Schule und auch nicht in den vielen anderen Fällen." Lehrer müssten deshalb lernen, zu verhindern, "dass sie zu Wegguckern würden".
Quelle: dts Nachrichtenagentur