Experten schätzen bis zu 700 000 Kinder in Deutschland von Kindervernachlässigung betroffen
Archivmeldung vom 27.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwischen fünf bis zehn Prozent, das sind aktuell zwischen 350 000 und 700 000, Kinder unter 14 Jahre gelten in Deutschland nach Expertenschätzung inoffiziell als "vernachlässigt".
Nach einer Aufstellung des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages, die der "Leipziger Volkszeitung" vorliegt, "stellt Kindesvernachlässigung die mit Abstand häufigste Gefährdungsform der im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bekannt werdenden Fälle von Kindeswohlgefährdung dar".
Die Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestages, Miriam Groß
(FDP), sowie die Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes,
Paula Honkanen-Schoberth, drängten gegenüber der Zeitung, auch vor
dem Hintergrund dieser Zahlen und jüngster Vernachlässigungs- und
Verwahrlosungsfälle bei Kindern, auf die rasche Aufnahme von
Kinderrechten in das Grundgesetz.
"Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz würde das
allgemeine Bewusstsein für die Rechte von Kindern in Deutschland
stärken und angesichts der leider zunehmenden Fälle von
Vernachlässigung und Misshandlung würde verdeutlicht und
unterstrichen werden: Deutschland nimmt seine Kinder ernst, wir sind
ein kinderfreundliches Land", meinte die Vorsitzende der
Kinderschutzkommission. "Zudem würde die Position des Kindes im
Konfliktfall gegenüber Staat und Eltern gestärkt - das Kindeswohl
hätte bei allen Entscheidungen Vorrang." Unabhängig davon bedürfe es
aber auch konkreter Handlungsanweisungen zum Wohl der Kinder. "Durch
ein gut ausgebildetes Netzwerk von Kinderärzten, Hebammen,
Jugendämtern und aller am Aufwachsen von Kindern Beteiligter muss
gewährleistet werden, dass Vernachlässigungen frühstmöglich erkannt
werden", sagte die FDP-Politikerin.
Für die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes hätte die rasche
Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung eine "zentrale
Bedeutung", weil damit auch "die Kinder schon wissen, als zukünftige
Eltern von morgen, dass sie entscheidende Rechte haben, wie das auf
gewaltfreie Erziehung, auf Beteilung und Förderung". Davon verspreche
sie sich eine "schützende Langzeitwirkung" für Kinder und eine
notwendige Dauer-Beeinflussung der Politik bei ihren Entscheidungen.
In der für die Linksfraktion des Bundestages erstellten Kurzstudie
des wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments wird darauf verwiesen,
dass sexueller sowie körperlicher und seelischer Missbrauch zwar in
der Öffentlichkeit aufmerksamer verfolgt würde, aber derartige Fälle
kämen im Vergleich zur Vernachlässigung seltener vor.
Vernachlässigung liege dann vor, wenn die sorgeverantwortlichen Personen bewusst oder unbewusst die notwendige Versorgung und Fürsorge des Kindes andauernd oder wiederholt unterließen. Die Lebenswirklichkeit vernachlässigter Kinder sei von "chronischer Unterernährung, unzulänglicher Bekleidung, fehlender Gesundheitsversorgung, unbehandelten Krankheiten und gesteigerten Unfallgefahren geprägt".
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung