Akten-Vernichtung: Verfassungsschützer Fromm räumt "Beschädigung" des Ansehens seines Amts ein
Archivmeldung vom 02.07.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Heinz Fromm, äußert sich erstmals zu der am vergangenen Mittwoch bekannt gewordenen Beseitigung von Akten aus dem NSU-Komplex in seiner Behörde und räumt Versäumnisse ein. "Nach meinem derzeitigen Erkenntnisstand handelt es sich um einen Vorgang, wie es ihn in meiner Amtszeit bisher nicht gegeben hat", sagte er gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Fromm: "Hierdurch ist ein erheblicher Vertrauensverlust und eine gravierende Beschädigung des Ansehens des Amtes eingetreten." Ein Mitarbeiter des Referats 2B ließ am 11. November vergangenen Jahres Akten über V-Leute beim rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz", dem die späteren Mitglieder des Zwickauer Terrortrios angehörten, vernichten. Beamte im BfV haben offenbar auch Computerdateien bewusst lückenhaft geführt.
Aus einem internen Untersuchungsbericht, den das Amt wohl Ende 2011 erstellte, geht hervor, dass die "Werbungsdatei der Abteilung 2 nicht alle tatsächlich durchgeführten Werbungsfälle" enthielt. "Einige Fälle", so heißt es in dem Papier, seien schlicht "nicht in die Datei eingetragen worden", während andere "aus operativen Gründen" her ausgehalten worden seien.
Innenminister Friedrich verlangt Bericht des Verfassungsschutzes zur NSU-Akten-Affäre
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat in der NSU-Akten-Affäre einen Bericht des Verfassungsschutzes verlangt und damit den Druck auf das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und seinem Präsidenten Heinz Fromm erhöht. "Ich habe Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm angewiesen, den Vorfall umfassend aufzuklären und mir rasch zu berichten. Herr Fromm hat zudem die Prüfung disziplinarrechtlicher Konsequenzen in seinem Hause angekündigt", erklärte Friedrich gegenüber der "Bild-Zeitung".
Kurz nach Bekanntwerden der Zusammenhänge der brutalen Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) hat der Verfassungsschutz am 11. November 2011 in einer Blitz-Aktion brisante Akten zur Operation "Rennsteig" vernichtet. Darin ging es unter anderem um den Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene.
SPD: Schäuble hat rechtsextremistische Gefahr unterschätzt
Die SPD hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeworfen, in seiner Amtszeit als Bundesinnenminister die Gefahren des Rechtsextremismus unterschätzt zu haben. Schäuble habe im Jahr 2006 eine "schwere Fehlentscheidung" getroffen, als er die für den Rechts- und den Linksextremismus zuständigen Abteilungen im Bundesamt für Verfassungsschutz zusammenlegte, sagte die Sozialdemokratin Eva Högl der "Süddeutschen Zeitung". Högl ist SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss des Bundestages, der das Behördenversagen bei der Mordserie der Zwickauer Zelle aufklären soll.
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, der derzeit wegen vernichteter Akten unter Druck steht, warnte damals eindringlich vor einer Fusion der Verfassungsschutzabteilungen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen internen Schriftwechsel. Die Fusion könnte als "Vernachlässigung" des Bereichs Rechtsextremismus aufgefasst werden, schrieb Fromm dem Ministerium. Er wolle "dringend abraten". Schäuble setzte sich jedoch gegen den Widerstand von Fromm durch. Nach Auffliegen der rechten Terrorzelle wurde die Fusion der Abteilungen Anfang 2012 wieder rückgängig gemacht.
Quelle: dts Nachrichtenagentur