Behörden registrieren mehr antisemitische Straftaten
Archivmeldung vom 11.05.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie Zahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland ist um rund 13 Prozent gestiegen. Das geht laut der "Welt am Sonntag" aus dem Jahresbericht 2019 zur "Politisch motivierten Kriminalität" (PMK) hervor, den Innenminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, am Dienstag in Berlin vorstellen wollen.
Danach wurden bundesweit rund 2.000 Taten gegen Juden und jüdische Einrichtungen verübt. Die bekannteste davon war der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Im Jahr 2018 hatte es 1.799 antisemitische Straftaten gegeben. Insgesamt nahm die PMK nach zwei Jahren des Rückgangs erstmals wieder zu, um 14 Prozent auf mehr als 41.000 Taten (2018: 36.062).
Davon wurden rund 22.000 dem Phänomenbereich "PMK-rechts" (2018: 20.431) zugeordnet, das ist ein Anstieg um neun Prozent. Häufig sind hier Propagandadelikte wie zum Beispiel Hakenkreuzschmierereien. Bei der "PMK-links" gab es ein deutliches Plus von rund 24 Prozent auf fast 10.000 Taten (2018: 7.961). Während die Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsheime auf einem relativ niedrigen Niveau blieben, ist die Hasskriminalität im Netz ein neuer Schwerpunkt. In einigen Bundesländern ist der Zuwachs bei der PMK überproportional hoch. So weisen Thüringen (plus 40 Prozent) und Brandenburg (p
lus 52,5 Prozent) Rekordstände aus. In Brandenburg ist dies das "höchste Fallzahlaufkommen" seit der Einführung des PMK-Systems 2001. Dafür machen die Landesinnenminister zum Teil Landtags- und Kommunalwahlen sowie die Europawahl verantwortlich, weil sich die PMK dann stets häuft.
"Wenn nun die Zahlen zu den politisch motivierten Straftaten veröffentlicht werden, wird sich leider zeigen, dass wir uns auf einem der höchsten Stände seit Einführung der Statistik befinden", sagte Thorsten Frei (CDU), Unionsfraktionsvize im Bundestag, der "Welt am Sonntag". Es gebe nicht nur ein massives Problem mit Rechtsextremismus, sondern auch mit Linksextremismus, dessen Brutalität mitunter unterschätzt werde. "Hass im Netz ist der Boden, auf dem Gewalt gedeiht", sagte Frei. "Oft sind es Kommunalpolitiker oder Journalisten, denen die Wut im Netz ungehemmt entgegenschlägt."
Bis hin zu Morddrohungen - die Liste der Anfeindungen sei lang: "Wo sich das Feindbild erst einmal im Kopf festgesetzt hat, führ t manchmal ein nur kurzer Weg zur Tat." Frei weiter: "Nur wenn wir diesen Sumpf menschenverachtender Sprache austrocknen, können wir wirksam verhindern, dass auf Worte Tote folgen." Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) gehen politisch motivierte Straftäter immer radikaler vor. "Die Hemmschwelle für Gewalt ist gesunken. Man wird schneller gewalttätig als Ausdruck gestiegener Selbstsicherheit, weil man glaubt, dass dies gesellschaftlich akzeptiert wird", sagte GdP-Vize Jörg Radek der "Welt am Sonntag". "Jede Gewalt von rechts und links muss geächtet werden. Egal, ob sie sich gegen ein Kamerateam, Rettungskräfte oder die Besatzung eines Streifenwagens richtet."
Quelle: dts Nachrichtenagentur