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Sanitäts-Offiziere prangern schwere Missstände vor Libanon-Einsatz an

Archivmeldung vom 20.09.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

In der Bundeswehr mehren sich kritische Stimmen vor dem Libanon-Einsatz. Im Gespräch mit NDR Info haben mehrere Sanitäts-Soldaten auf Missstände in der Truppe aufmerksam gemacht.

Wolfgang Petersen ist der Vorsitzende des Forums der Sanitäts-Offiziere. Der Oberarzt am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz muss ab Oktober in den Libanon - doch er sieht große Gefahren, "weil der Sanitätsdienst im Bereich der Bundeswehr am Ende ist. Wir können nicht mehr leisten. Es ist so, dass teilweise in den Kliniken die Operationssäle nicht mehr besetzt werden können, weil viele von uns im Ausland sind. Das heißt: Patienten, die hier dringend versorgt werden müssten, können nicht mehr versorgt werden. Wir können damit auch junge Kollegen gar nicht mehr weiter ausbilden, weil wir nicht genügend Operationen hier durchführen können."

Petersen weist ausdrücklich darauf hin, dass er als Bundeswehroffizier aus rechtlichen Gründen über die Medien nur seine private Meinung wiedergeben darf. Nach seinen Worten haben weder die vorgesetzte Sanitätsführung noch die Politik die intern angesprochenen Probleme behoben. "Es ist so, dass dadurch auch die Qualität der Behandlung in Einzelfällen nachlässt", so Petersen auf NDR Info. Schon im Kosovo-Einsatz hatte die Bundeswehr seinen Aussagen zufolge zu wenig ausgebildetes Personal vor Ort. Petersen berichtet, dass ihm bei Operationen sogar eine Bäckergesellin assistieren musste. Auch Notärzte im Auslandseinsatz seien häufig zu schlecht geschult.

"Es ist zum Beispiel so, dass die Bundeswehr ein spezielles Konstrukt gebildet hat. Ich nenne es mal den Ersatz-Notarzt, der im Auslandseinsatz mit einer sechswöchigen Ausbildung im Notfall auch schwerstverletzte Menschen versorgen muss. Das ist aus meiner Sicht eine sehr fragwürdige Methode, weil man inzwischen in vielen Bundesländern für den Notarztjob eine dreijährige Ausbildung braucht."

Ähnlich scharf äußert sich der Arbeitskreis Darmstädter Signal. Oberstleutnant Jürgen Rose aus München ist Mitglied in dieser Vereinigung bundeswehr-kritischer Soldaten. In dieser Funktion wirft Rose der Bundesregierung vor, Sanitätssoldaten im Ausland an die Waffe zu zwingen und damit gegen das Völkerrecht zu verstoßen. "Dass man jetzt sogar, vom Bundesverteidigungsministerium angeordnet, Sanitäter hinters Maschinengewehr legt, also zur infanteristischen Feldlagersicherung einsetzt, stellt einen ganz klaren Verstoß gegen die Genfer Abkommen und die Zusatzprotokolle von 1977 dar", so Rose auf NDR Info. Die Soldaten im Arbeitskreis Darmstädter Signal sind gegen einen Libanon-Einsatz der Bundeswehr und fordern die Bundesregierung auf, sofort zum humanitären Völkerrecht zurückzukehren.

Die Bundeswehr war auf Anfrage von NDR Info zu den jüngsten Vorwürfen bislang zu keiner Stellungnahme bereit.

Quelle: Pressemitteilung NDR Norddeutscher Rundfunk

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