Terrorgefahr macht vorzeitige Abschaltung von sieben Atomkraftwerken zwingend
Archivmeldung vom 04.09.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel geforderte vorzeitige Stilllegung von sieben in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts errichteten Atomkraftwerken ist insbesonderewegen ihrer Verwundbarkeit bei Terrorangriffen aus der Luft zwingend. Darauf hat der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), Rainer Baake, hingewiesen und Bundesregierung und Bundestag aufgefordert, die Bevölkerung vor den katastrophalen Folgen eines Angriffs nach dem Muster der Terrorattacken vom 11. September 2001 in den USA zu schützen.
Dazu sei das Atomgesetz mit dem Ziel zu ergänzen:
- Alle Atomkraftwerke unverzüglich stillzulegen, die gar nicht oder nur gegen den zufälligen Absturz leichter Militärmaschinen ("Starfighter") geschützt sind. Ihre jeweiligen Reststrommengen können nach dem Vorschlag entsprechend den Regelungen des geltenden Atomrechts auf jüngere Anlagen übertragen werden.
- Die Kraftwerksbetreiber zu veranlassen, für alle übrigen Atomkraftwerke binnen drei Monaten nachzuweisen, dass es bei einem Angriff mit einem Verkehrsflugzeug nicht zu einer nuklearen Katastrophe kommt.
"Wenn die Atomkraftwerksbetreiber nicht Willens sind, ihrer Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung von sich aus gerecht zu werden, muss die Politik handeln. Insbesondere der Bundesinnenminister darf das größte Terrorrisiko in Deutschland nicht länger ignorieren", sagte Baake.
Umweltminister Gabriel hatte am Wochenende die AKW-Betreiber aufgefordert, sieben veraltete Meiler vorzeitig vom Netz zu nehmen und deren Reststrommengen auf jüngere Anlagen zu übertragen. Vattenfall, RWE, E.on und EnBW behaupteten daraufhin, ihre Atomkraftwerke seien sicher. Die Sicherheit der Anlagen sei nicht vom Baujahr abhängig. Baake warf den AKW-Betreibern vor, die Öffentlichkeit mit dieser Behauptung wissentlich hinters Licht zu führen. Allen Konzernchefs sei bekannt und bewusst, dass den in den 70er Jahren in Betrieb genommen Kraftwerken ein veraltetes Sicherheitskonzept zu Grunde liege, dessen grundsätzliche Mängel mit Nachrüstungen nicht behoben werden könnten. Dies gelte für eine Reihe zentraler Sicherheitsbereiche und zeige sich am eklatantesten beim mangelnden Schutz gegen Selbstmordattentate aus der Luft. Baake erinnerte daran, dass seit den Selbstmordangriffen islamistischer Terroristen auf das World Trade Center und das Pentagon vor fast genau sechs Jahren, gezielt herbeigeführte Abstürze von Verkehrsmaschinen auf Atomkraftwerke nicht mehr auszuschließen seien. Im offiziellen "9/11 Commission Report" der US-Regierung sei auf Seite 245 nachzulesen, dass schon damals die Terroristen den Angriff auf ein Atomkraftwerk 40 Meilen südlich von Manhattan in ihre Planung einbezogen hatten (Anlage, Zitat 1). Sie nahmen schließlich davon Abstand, weil sie - fälschlicherweise, wie sich später herausstellte - glaubten, das Atomkraftwerk sei militärisch geschützt.
Es könne nicht sein, dass der Bundesinnenminister feststelle, "dass Täter aus diesem Bereich nicht nur eine symbolische Wirkung ihrer Taten anstreben, sondern insbesondere versuchen, größtmögliche Personenschäden zu erzielen" und den Bundestag warnt: "Ein Anschlag auf kerntechnische Einrichtungen muss daher als mögliche Option angesehen und kann nicht völlig ausgeschlossen werden" - dann aber auf die notwendigen Konsequenzen verzichte. (Anlage, Zitat 2).
Auf den Internetseiten des BMU sei nachzulesen, dass die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts errichteten Atomkraftwerke überhaupt keinen oder nur einen völlig unzureichenden Schutz gegen Flugzeugabstürze besitzen. "Würde es Terroristen gelingen, ein Verkehrsflugzeug auf eines dieser sieben Atomkraftwerke zu lenken, käme es unweigerlich zu einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes", so Baake. Niemand wisse dies besser als die Betreiber, die Experten der staatlichen Atomaufsicht und die Sicherheitsbehörden.
Die von den Betreibern über Jahre entwickelten Pläne, ihre Kraftwerke im Falle eines Angriffs mit "Vernebelungssystemen" zu schützen, seien endgültig gescheitert. Abgesehen von der Tatsache, dass sechs Jahre nach den monströsen Anschlägen in den USA an keinem der deutschen AKW-Standorte ein betriebsbereites Vernebelungssystem existiere, würde dies auch nichts nützen. Eine Vernebelung sei immer und insbesondere bei Wind nur zeitlich begrenzt möglich. Ziel des Konzeptes sei es gewesen, mit der Vernebelung Zeit bis zum Eintreffen von Militärmaschinen zu gewinnen. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz vom 15. Februar 2006 sei es Piloten aber höchstrichterlich untersagt, ein Passagierflugzeug abzuschießen (Anlage, Zitat 3). Baake: "Auf eine verfassungswidrige Ermächtigung, mit Waffengewalt ein vollbesetztes Passagierflugzeug abzuschießen, darf niemand ein Sicherheitskonzept stützen."
Die Atomkraftwerks-Betreiber täuschten mit ihrer Behauptung, zwischen der Sicherheit und dem Alter eines Atomkraftwerks gebe es keinen Zusammenhang, dreist die Öffentlichkeit. Der Bundesinnenminister, der ansonsten eher selten als Verharmloser terroristischer Gefahren auftrete, ignoriere bis heute das größte Terrorrisiko in Deutschland. "Wolfgang Schäuble offenbart mit seiner Tatenlosigkeit ein taktisches Verhältnis zur Sicherheit. Weil er fürchten muss, mit einer konsequenten Haltung, in ideologischen Widerspruch zu den atompolitischen Positionen seiner Partei zu geraten, mutiert er vom Sicherheits-Hardliner zum Weichei", so Baake.
Den AKW-Betreibern würde wegen der gesetzlichen Möglichkeit einer Übertragung von Reststrommengen von alten Atomkraftwerken auf jüngere mit der vorzeitigen Abschaltung kein ökonomischer Schaden entstehen. Der Sicherheitsgewinn für die Bevölkerung in Deutschland wäre hingegen enorm, wie der Bundesumweltminister in seinem am vergangenen Samstag bekannt gewordenen Papier ausführlich und zu Recht feststellt. Baake: "Die Diskussion über Reaktorlaufzeiten der Altmeiler in Deutschland ist überfällig. Es geht dabei um das größte terroristische Risiko in Deutschland. Und damit um Laufzeitverkürzung, nicht um Verlängerung".
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.