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Deutsche Umwelthilfe: Viel mehr Betroffene im Dieselfilterskandal als bisher angenommen

Archivmeldung vom 08.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) sind offenbar viel mehr Autohalter vom Dieselfilterskandal betroffen als bisher angenommen. Eine DUH-Umfrage bei den Finanzministern der Länder ergab für die Jahre 2006 und 2007 eine Gesamtzahl von 270.591 steuerlich geförderten Partikelfilter-Nachrüstungen.

Die Summe liegt damit um rund 100.000 oder 60% über der zuletzt am 5. März 2008 von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel anlässlich einer gemeinsamen Sitzung der Bundestagsausschüsse für Umwelt und Verkehr genannten Zahl von 170.000 Nachrüstfiltern. Damit verdichten sich die Hinweise, dass erheblich mehr als die bisher angenommenen 40.000 Betrugsfilter verbaut wurden. Unklar bleibt jedoch, wie viele der neu aufgetauchten 100.000 Nachrüstfilter den Herstellern nicht funktionierender Systeme (GAT, Tenneco, Ernst und Bosal) zuzuordnen sind. Die DUH geht bereits seit Herbst 2007 aufgrund eigener Marktrecherchen von mindestens 60.000 in Diesel-Pkw eingebauten Betrugsfiltern aus.

"Alle Versuche, die Ungereimtheiten bei den Zahlen zu klären, scheitern an der Weigerung des Umwelt- und Verkehrsministerium, die tatsächlichen, aktuellen Zahlen zu offenbaren. Der von uns gewählte direkte Abfrage der Zahlen über die Länderfinanzministerien belegt nun eindeutig, dass die bisher veröffentlichten Zahlen falsch und zu niedrig sind. Um endgültig Klarheit zu erhalten, haben wir uns entschlossen mit einer Untätigkeitsklage  vor dem Verwaltungsgericht Berlin die Herausgabe der Zahlen zu erzwingen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Auf dem Klageweg verspricht sich die DUH, die aktuellen Zahlen der derzeit eingebauten Mangelfilter zu erhalten und so auch den weiteren Verlauf der Austauschaktion verfolgen zu können. Der Rechtsanspruch ergibt sich aus dem Umweltinformationsgesetz (UIG), auf dessen Basis die DUH bereits die Veröffentlichung von Messergebnissen von Mangelfiltern aus dem Jahre 2006 vor dem Verwaltungsgericht Dessau durchgesetzt hatte.

Seit Monaten wartet die DUH zudem auf die Veröffentlichung der bereits für November 2007 angekündigten Nachprüfungen aller auf dem Markt befindlichen Partikelfiltersysteme durch das KBA. "Für den Erfolg der Feinstaubbekämpfung in unseren Innenstädten ist es wichtig, dass die Verunsicherung der Autofahrer, welcher Filter funktioniert und welcher nicht, endlich ein Ende hat", so Resch. Erfreulicherweise habe der ADAC Ende März Testergebnisse veröffentlicht, wonach die derzeit angebotenen Systeme von HJS, TwinTec, Remus und Volkswagen im Durchschnitt die Rußemissionen um rund 45 Prozent reduzieren. Es sei absolut unverständlich, warum die amtlichen Nachprüfergebnisse des Kraftfahrtbundesamtes angeblich immer noch nicht vorlägen. "Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich mit offenen Karten zu spielen und in einer gemeinsamen Anstrengung mit den vom Feinstaub betroffenen Städten, den Ländern und den Auto- und seriösen Filterherstellern für eine breit angelegte Nachrüstung mit funktionierenden Partikelfiltern zu werben", forderte Resch.

Während sich für die zukünftige Nachrüstung von Diesel-Pkw durchaus "Licht am Horizont" erkennen lasse, setze sich das Trauerspiel für die von Betrugsfiltern betroffenen Autohalter fort. Das Beharren von Bundesumweltminister Gabriel auf die so genannte "Kulanzregelung" habe den Filteraustausch faktisch zum Stillstand gebracht. Trotz gegenteiligen Ankündigungen verweigern nach Beobachtung der DUH insbesondere die Werkstattketten PitStop und A.T.U. weiterhin und auf breiter Front den kostenfreien Austausch. Vier Monate nach der Präsentation der "Kulanzregelung" sind nach einer Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) zum 31. Dezember 2008 erst 1.142 Filter nachweislich ausgetauscht worden; im März schrumpfte die Zahl bundesweit auf 118. "Bliebe es beim derzeitigen Tempo, würde der letzte Betrugsfilter etwa im Jahr 2033 ausgetauscht", so Resch.

Unverständlich ist für die DUH insbesondere die geduldige "Kulanz" der Bundesregierung gegenüber dem hauptverantwortlichen Betrugsfilterhersteller, dem Gladbecker Unternehmen GAT. Bereits seit Herbst 2007 kündigte die Firma immer wieder jeweils für die Folgewochen einen neu entwickelten Filter an. Nach Recherchen der DUH ist jedoch die aktuelle Ankündigung der Markteinführung bis Ende April ebenso falsch wie alle früher genannten Termine. Über die Praktiken von GAT berichtet heute (Dienstag) Abend auch das ARD-Magazin PLUSMINUS. "Die Fehlentscheidung des Ministers, für die Betrugsfilter Steuerbonus und günstige Feinstaubplakette weiter zu gewähren, hat offenbar jeglichen Anreiz zum Filteraustausch beseitigt - zur großen Freude der Hersteller, die durch das Verbleiben ihrer Betrugsfilter in den Autos einen zweistelligen Millionenbetrag sparen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Umweltminister Gabriel hatte Ende November 2007 einer Verbändevereinbarung zugestimmt und sie selbst öffentlich präsentiert. Die Absprache sah einen freiwilligen und für die betrogenen Autohalter kostenfreien Austausch der unwirksamen Filter vor. Gleichzeitig sollten die Betroffenen sowohl die Steuerersparnis in Höhe von 330 Euro behalten dürfen, als auch die bessere Einstufung bei der Vergabe von Feinstaubplaketten. GAT hatte die Werkstätten, die zunächst für den Filteraustausch aufkommen müssen, mit der Ankündigung unter Druck gesetzt, man werde nur für den Austausch gegen eigene neue Filter aufkommen. Die gibt es jedoch bis heute nicht. Unter Hinweis darauf, dass die Betroffenen im Rahmen der "Kulanzregelung" weder um ihre Betriebserlaubnis, noch um ihre Steuerersparnis fürchten müssten, werden die Autofahrer - trotz intensiver gegenteiliger Bemühungen des ZDK - bis heute in vielen Werkstätten und großen Werkstattketten hingehalten - zulasten der Gesundheit der Menschen in den hoch belasteten Feinstaubzonen.

Quelle: DUH

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