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50jähriges Jubiläum der Conterganstiftung: Es wird Zeit, aufzuhören, die Vergangenheit schönzureden!

Archivmeldung vom 28.10.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.10.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Viele behinderte und eingeschränkte Menschen werden von Politik vergessen (Symbolbild)
Viele behinderte und eingeschränkte Menschen werden von Politik vergessen (Symbolbild)

Bild: Eigenes Werk /OTT

Am 31.10.2022 jährt sich die Gründung der Conterganstiftung zum fünfzigsten Mal. Diese Stiftung ist anlässlich des Conterganskandals durch den Bund ins Leben ins Leben gerufen worden, nachdem ca. 10.000 Kinder durch das Medikament Contergan im Mutterleib geschädigt und mit schweren und schwersten Missbildungen zur Welt gekommen sind. Viele Kinder wurden tot geboren oder verstarben kurz nach der Geburt.

Christian Stürmer, Bundesvorsitzender des Contergannetzwerkes Deutschland e.V. und zugleich gewählter Betroffenenvertreter im Stiftungsrat der Conterganstiftung erläutert: "Anstatt aber die Schädigungsfirma Grünenthal, welche das Contergan hergestellt und vertrieben hat, hinsichtlich des angerichteten Schadens mit dem Bundes-Errichtungsgesetz der Stiftung für die Zukunft wenigstens zu einem Teil dauerhaft zu verpflichten, hat man das Gegenteil gemacht, nämlich sich weiter hinter diese Firma gestellt und sich sogar dahin verstiegen, mit § 23 Abs. 1 des Errichtungsgesetzes, die Firma Grünenthal und deren Eigentümer und Angestellten von allen Pflichten zu entbinden, so dass der Staat dadurch die alleinige Verantwortung übernommen hat."

Stürmer weiter: "Anstelle aber einen adäquaten Ausgleich zu gewähren, wurden die monatlichen Renten im Jahr 1972 in der Höchststufe lediglich auf 450 DM festgesetzt. Bis zum Jahr 2008 stiegen diese nur minimal auf Maximalrenten von monatlich 545 Euro an - für Leute ohne Arme und/oder ohne Beine. "Das bedeutet eine jahrzehntelange Unterversorgung, sagt Stürmer aus" und führt aus: "Die Geschädigten wurden mit einem 'Butterbrot' zu den Sozialkassen geschickt. Vielen Geschädigten ging es jahrzehntelang finanziell wirklich schlecht."

Der Betroffenenvertreter Stürmer weiter: "Diese Minirenten wurden dann zwar im Jahr 2008 verdoppelt, der eigentliche Paradigmenwechsel geschah dann aber erst im Jahr 2013, als der Deutsche Bundestag endlich Renten festsetze, womit die schwer und schwerstgeschädigten Conterganbetroffenen ein selbstbestimmtes Leben zu führen in der Lage sind." Stürmer: "Da waren die Geschädigten aber schon jeweils über 50 Jahre alt!" "Noch heute empfinden es viele Geschädigte nach dem jahrzehntelangen Leid als Balsam, dass sich viele Abgeordnete damals bei den Geschädigten öffentlich entschuldigt haben. Was aber schlimm ist und was uns wirklich sauer macht, ist, dass die Exekutive, hierunter das zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend diesen Paradigmenwechsel alles andere als adäquat nachvollzogen hat."

Stürmer erklärt: "Gerade eben erst hat die Familienministerin Lisa Paus in einem öffentlichen Grußwort erklärt, dass der Staat "seiner Verantwortung über all die Jahre gerecht" geworden" sei. Erst auf meine Intervention wurde das auf der Homepage der Stiftung eingestellte "Grußwort" still und leise ausgetauscht, was den ersetzten Inhalt aber auch nicht viel besser macht." Christian Stürmer: "Auch bei der Stiftung erscheint es mir so, als würde man die Vergangenheit gerne als rosig darstellen. Das war diese aber leider nicht!" Der Betroffenenvertreter weiter: "Wir sind froh und dankbar, dass der Staat seinen Pflichten nunmehr gut nachkommt. Niemand hat es jetzt mehr nötig, den Umgang mit den Geschädigten schönzureden!"

Quelle: Contergannetzwerk Deutschland e.V. (ots)

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