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Psychologie-Studie: Vertrautheitsgefühl beeinflusst unsere Entscheidungen

Archivmeldung vom 23.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Timm Rosburg, promovierter Psychologe am Lehrstuhl für Experimentelle Neuropsychologie der Saar- Uni Universität des Saarlandes
Timm Rosburg, promovierter Psychologe am Lehrstuhl für Experimentelle Neuropsychologie der Saar- Uni Universität des Saarlandes

Wenn man sich zwischen zwei Dingen entscheiden soll, neigt man dazu, die schon bekannte Alternative zu bevorzugen. Psychologen der Universität des Saarlandes haben nun erstmals über die Messung von Hirnströmen nachgewiesen, dass das bloße Wiedererkennen viele unserer Entscheidungen beeinflusst. Anhand von EEG-Daten konnten die Wissenschaftler dabei sogar vorhersagen, welche Entscheidung die Versuchspersonen treffen werden, obwohl sie deren Vorwissen nicht kannten. Ihre Forschungsergebnisse werden nun in der renommierten Fachzeitschrift „Psychological Science“ veröffentlicht.

Psychologen beschäftigen sich schon lange mit der Frage, welche einfachen Regeln den Menschen dabei helfen, Entscheidungen zu treffen. Eine dieser einfachen Regeln ist die sogenannte Rekognitionsheuristik. Diese besagt, dass man sich bei der Beurteilung von mehreren Objekten für jenes entscheidet, das man wiedererkennt. In Verhaltensexperimenten wurde diese Präferenz für bekannte Alternativen bereits nachgewiesen. „Wir konnten jetzt durch neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sich der Entscheider hierbei tatsächlich durch ein Vertrautheitsgefühl leiten lässt.“, erklärt Timm Rosburg, promovierter Psychologe an der Universität des Saarlandes, der gemeinsam mit den Saarbrücker Kollegen Axel Mecklinger und Christian Frings die Forschungsergebnisse veröffentlicht hat.

Die Wissenschaftler nutzten zur Untersuchung der Rekognitionsheuristik die Elektroenzephalografie (EEG), bei der die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen wird. In der hirnelektrischen Antwort spiegelt sich das Gefühl der Vertrautheit in den ersten 300 bis 500 Millisekunden wider, während der Abruf weiterer Information später einsetzt. In der Studie bekamen die Testpersonen zwei Städtenamen genannt und sollten entscheiden, welches die größere Stadt ist. Wie erwartet wählten die Versuchspersonen tatsächlich in 90 Prozent der Fälle den bekannten Städtenamen. Anhand der aufgezeichneten EEG-Daten konnten die Forscher außerdem feststellen, dass bekannte Städtenamen ein größeres Vertrautheitsgefühl hervorriefen. „Der wichtigste Befund unserer Studie ist jedoch, dass wir die Antwort der Versuchspersonen mittels dieser frühen Hirnantworten vorhersagen können, und dies gilt auch, wenn wir spätere Reaktionen des Gehirns in die Analyse mit einbeziehen. Das frühe Gefühl von Vertrautheit hat also wesentlichen Einfluss für solche Art von Entscheidungen“, erläutert Christian Frings.

Ein solches Verhalten führe häufig zu richtigen Entscheidungen, da die bekanntere Stadt wie in dem Versuchsbeispiel auch oft die größere sei. Auch bei anderen Fragen, wie zum Beispiel welcher Tennisspieler ein Match gewinnt, läge man mit dem prominenteren Spieler häufiger richtig. „Es gibt aber auch Situationen, in denen die Rekognitionsheuristik zu nachteiligen Entscheidungen führen kann. Das kann man etwa am Aktienmarkt beobachten: Bekanntere Unternehmen werden dort oft nach oben katapultiert, allein wegen ihrer häufigen Nennung in den Medien. Das sagt jedoch nichts über den inneren Wert einer Aktie aus“, gibt Timm Rosburg zu Bedenken.

Die Saarbrücker Wissenschaftler wollen mit ihrer Studie auch der Gedächtnisforschung neue Impulse geben. „Bisher haben Psychologen die Frage, wie wir Entscheidungen fällen, vor allem in Verhaltensexperimenten untersucht. Durch unseren neurowissenschaftlichen Ansatz konnten wir erstmals nachweisen, dass das Vertrautheitsgefühl nicht nur beim Erinnern, sondern auch beim Entscheiden eine wichtige Rolle einnimmt.“, erklärt Professor Mecklinger. Die Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, schwierige Entscheidungsprozesse besser zu handhaben. „Wenn wir wissen, dass wir uns von vertrauten Dingen leiten lassen, sollten wir uns das in schwierigen Situationen bewusst machen und eine kritische Distanz dazu einnehmen“, meint Mecklinger.

Der Fachartikel “When the Brain decides” von Timm Rosburg, Axel Mecklinger und Christian Frings wird in Kürze in „Psychological Science“ erscheinen, einer der wichtigsten internationalen Zeitschriften für Psychologie.

Quelle: Universität des Saarlandes

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