Kranke DDR-Erdgaskumpel kämpfen noch immer um Entschädigung
Archivmeldung vom 15.06.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNoch immer kämpfen Erdgas-Kumpel der DDR vergeblich um Entschädigung für schwere Erkrankungen. Betroffen sind Arbeiter des ehemaligen VEB Erdgasförderung Salzwedel, die ohne Schutzausrüstungen giftigem Blei, Lithium und vor allem Quecksilber ausgesetzt waren.
Wie das Nachrichtenmagazin "MDR-exakt" berichtet, sind zahlreiche Betroffene bereits verstorben. "Ich hab 134 Kollegen, die vorzeitig verstorben sind, und viele von meinen Kollegen, die noch da sind, sind schwerkrank.", so der ehemalige Erdgas-Arbeiter Wienhold Weber, der unter Nieren-, Muskel- und Gehirn-Erkrankungen leidet. Weber, der bereits mit 41 Jahren für arbeitsunfähig erklärt wurde, streitet gemeinsam mit 30 weiteren betroffenen Kollegen bisher vergeblich mit der Berufsgenossenschaft um eine Entschädigung für die Spätfolgen seiner Arbeit.
Die Berufsgenossenschaften lehnten bisher sämtliche Anträge auf Anerkennung einer Berufskrankheit ab. Die Erkrankungen der Kumpel seien nicht auf die Einwirkung von Quecksilber zurückzuführen, hieß es in einer Antwort der Berufsgenossenschaft Rohstoffe/Chemische Industrie gegenüber dem MDR-Magazin": "Bislang ist uns keine wissenschaftliche Studie bekannt, die eine erhöhte Gefährdung durch Quecksilber in der Erdgasindustrie belegt".
Dieser Auffassung widerspricht der Würzburger Mediziner Peter Jennrich, wissenschaftlicher Berater der deutschen Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie. "Wir wissen aus der Forschung, dass die Halbwertzeit von Quecksilber im menschlichen Körper Jahrzehnte beträgt. Bei Quecksilber handelt es sich um ein gefährliches Summationsgift, es reichen kleine Dosen, um Körperorgane wie Niere, Leber und Gehirn schwer zu schädigen".
Bereits in einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2010 wertete der Historiker Hermann Bubke alte Stasi-Akten zur Kontamination der DDR-Kumpel mit Quecksilber aus und kam zum Schluss: "Im Bereich Salzwedel/Peckensen sind ca. 150 bis 200 Arbeiter stark exponiert für Quecksilbervergiftungen, da sie ständig direkt oder indirekt mit dem Schadstoff in Berührung kommen."
Die Bezirksinspektion Gesundheitsschutz in der DDR hatte wegen schwerer Erkrankungen der Arbeiter bereits in den 70er-Jahren begonnen, Blut- und Urinproben der Kumpel auf Quecksilber zu untersuchen.
Quelle: MDR Mitteldeutscher Rundfunk (ots)