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Dieselfilterskandal: Nach dem Scheitern der Kulanzregelung muss Minister Gabriel jetzt handeln

Archivmeldung vom 28.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Drei Monate nach der Präsentation der Vereinbarung über den Austausch unwirksamer Diesel-Partikelfilter durch Umweltminister Sigmar Gabriel zieht die Deutsche Umwelthilfe eine deprimierende Bilanz der so genannten "Kulanzregelung": Obwohl für über 70 Prozent der betroffenen 40.000 Fahrzeuge funktionierende Austauschsysteme anderer Hersteller auf dem Markt verfügbar sind, haben bisher kaum 5 Prozent ihren Betrugsfilter ausgetauscht bekommen.

Nach einer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) bekannten aktuellen Statistik liegt die nachgewiesene Zahl sogar unter 3%: Weniger als 1.000 mangelhafte Systeme (Stand Ende Februar 2008) wurden gegen funktionstüchtige Filter gewechselt, obwohl sich der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes sehr für jeden ihm bekannt gewordenen Problemfall bei den Werkstätten eingesetzt hat.

"Der Versuch des Bundesumweltministeriums, mit einer so genannten Kulanzlösung das Versagen seines Ministeriums bei der Aufdeckung des Skandals zu kaschieren, ist gescheitert. Der Betrugsfilterhersteller GAT führt seit drei Monaten Bundesumweltminister Gabriel am Nasenring durch die Manege und der macht weiter gute Miene zum bösen Spiel. Die Fehlentscheidung des Ministers, für die Betrugsfilter Steuerbonus und Feinstaubplakette weiter zu gewähren, hat  jeglichen Anreiz zum Filteraustausch beseitigt - zur großen Freude der Hersteller, die durch das Verbleiben ihrer Betrugsfilter in den Autos einen zweistelligen Millionenbetrag einsparen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Insbesondere der Gladbecker Filterhersteller GAT nutze die so genannte Kulanzregelung virtuos für seine Geschäfte: Nur Stunden nach der Vorstellung der Vereinbarung Ende November 2007 hatte GAT erklärt, den Werkstätten die Kosten für den Austausch der Filter gegen Produkte anderer Hersteller nicht zu ersetzen. GAT verweist seitdem darauf, dass ja für die verbauten (nicht funktionierenden Filter) weiterhin die staatliche Förderung und die Feinstaubplakette gewährt werden. Wer dennoch auf den Filtertausch bestehe, wird auf einen angeblich neu entwickelten GAT-Filter verwiesen, der bereits seit November 2007 fertig entwickelt sei und kurz vor der Auslieferung stehe. Doch weder die Lieferzusagen für November, Dezember und schließlich Januar 2008 wurden eingehalten.

Zuletzt am 7. Februar hatte GAT erneut vollmundig erklärt, die Entwicklung "einer neuen Generation von GAT-Partikelminderungssystemen schreitet zügig voran", die Filter könnten "im Verlauf der Monate März/April 2008 zur Auslieferung kommen". Auf telefonische Nachfrage am 27. Februar wurde die Auslieferung der Filter für VW/Audi/Skoda sogar "noch vor Ostern", d.h. in nur drei Wochen, in Aussicht gestellt. Recherchen der DUH ergaben, dass GAT aber bisher dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) noch nicht einmal den mit der Zulassungsprüfung betrauten "technischen Dienst" bzw. den Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns der Prüfungen mitgeteilt hat. Ein solcher Filtertest dauert üblicherweise allein 8 - 10 Wochen. Das Unternehmen GAT, gegen das die Staatsanwaltschaft Essen seit Monaten wegen Urkundenfälschung ermittelt, "betrügt seine früheren Kunden mit einer perfiden Hinhaltetaktik und dem Werfen von immer neuen Nebelkerzen jetzt ein weiteres Mal", kritisierte Resch.

"Die Bundesminister Gabriel und Tiefensee können vor dem andauernden Desaster um die Betrugsfilter nicht weiter den Kopf in den Sand stecken", mahnte Resch. "Sie müssen nach dem Scheitern der Kulanzlösung nun für einen schnellen Austausch der Betrugsfilter sorgen. Die DUH hält den Entzug der Betriebserlaubnis für alle Betrugsfilter zu einem möglichst frühen Zeitpunkt - wir fordern den 31. März 2008 - für den einzig gangbaren Weg, den betroffenen Autohaltern zu helfen." Seriöse Alternativen gebe es aktuell für etwa 70 Prozent der Betrugsfilter. Wenn die Bundesregierung weiter versuche, das Filterdesaster auszusitzen, halte nicht nur die Verunsicherung der Autofahrer an. Darüber hinaus komme der zur Entlastung der Ballungszentren von tödlichem Feinstaub notwendige massenhafte Einbau von Nachrüstfiltern nicht in Gang. Resch: "Die Nachrüstung der Dieselfilter wird als ein Tiefpunkt der Umweltpolitik in Deutschland in die Annalen eingehen und mit dem Namen des Bundesumweltministers verbunden bleiben, wenn es jetzt nicht gelingt, das Vertrauen in die Filternachrüstung wiederherzustellen."

Resch wies auch auf eine insbesondere von den Länderfinanzministern gern in Kauf genommene "Nebenwirkung der Rußfiltermisere" hin: Solange keine Filter eingebaut würden, spüle die in der Nachrüstverordnung festgelegte Erhöhung der Kfz-Steuer für alle ungefilterten Diesel-Pkw insgesamt rund 800 Millionen Euro in die Länderkassen. "Mit diesen Millionen sollte die Nachrüstförderung finanziert und die Entlastung der Hochbelastungszonen in unseren Städten vorangebracht werden - nun laben sich Länderfinanzminister an dem Geldsegen und zehntausende Menschen sterben weiter vorzeitig an den gesundheitlichen Folgen", erklärte Resch.

Umweltminister Gabriel hatte Ende November 2007 einer Verbände-Vereinbarung zugestimmt und sie selbst öffentlich präsentiert. Sie sah einen freiwilligen und für die betrogenen Autohalter kostenfreien Austausch der unwirksamen Filter vor. Gleichzeitig sollten die Betroffenen sowohl die Steuerersparnis in Höhe von 330 Euro behalten dürfen, als auch die bessere Einstufung bei der Vergabe von Feinstaubplaketten. GAT hatte die Werkstätten, die zunächst für den Filteraustausch aufkommen müssen, mit der Ankündigung unter Druck gesetzt, man werde nur für den Austausch gegen neue eigene Filter aufkommen. Die gibt es jedoch bis heute nicht. Unter Hinweis darauf, dass die Betroffenen im Rahmen der "Kulanzregelung" weder um ihre Betriebserlaubnis, noch um ihre Steuerersparnis fürchten müssten, werden die Autofahrer - trotz aller Bemühungen des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes - bis heute in vielen Werkstätten und großen Werkstattketten hingehalten - zulasten der Gesundheit der Menschen in den hoch belasteten Feinstaubzonen.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe

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