Nicht nur die Sauerland-Gruppe kaufte in der Lüneburger Heide explosive Mischungen
Archivmeldung vom 22.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAutobomben mit insgesamt mehr als einer halben Tonne Sprengstoff sollten in Deutschland hochgehen - und möglichst viele Menschen töten. Das wirft die Bundesanwaltschaft vier Mitgliedern der sogenannten Sauerland-Gruppe vor, die sich von heute an vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten müssen.
Laut Anklagebehörde wollten die Islamisten den Sprengstoff aus Wasserstoffperoxid herstellen, den sie bei dem Händler Rainer B. in Hodenhagen (Kreis Soltau-Fallingbostel) gekauft hatten. Nach Recherchen des WESER-KURIERS (Bremen) waren die Islamisten nicht die einzigen verdächtigen Kunden des niedersächsischen Händlers.
Rainer B. geriet Monate nach der Festnahme der Terrorverdächtigen selbst ins Visier der Polizei - und die hob bei einer bundesweiten Riesenrazzia im Juli 2008 bei zahlreichen Kunden des Händlers ganze Sprengstoff- und Waffenlager aus. Neben der Sauerland-Gruppe hatten mutmaßliche Rechtsextremisten, Drogenabhängige, psychisch Kranke und blutjunge Waffennarren in der Lüneburger Heide Chemikalien gekauft und daraus neben synthetischen Drogen auch Hochexplosives hergestellt. Rainer B. muss sich deshalb demnächst vor dem Landgericht Verden verantworten.
Einige Mischungen waren so gefährlich, dass Polizeiexperten ganze Straßen evakuieren und kontrollierte Sprengungen durchführen ließen. Entdeckungen wie diese lehrten Sicherheitsexperten schon lange vor dem Amoklauf von Winnenden und der Diskussion über ein schärferes Waffenrecht das Fürchten: Auch wer keine Schusswaffen besitzt, kann mit hausgemachtem Sprengstoff und selbstgebastelten Bomben jederzeit ein Blutbad anrichten. Aus welchem Motiv auch immer.
"Wer ernsthaft eine Bombe bauen will, kriegt das auch hin", sagte Christian Michaelis, Chemiker beim Landeskriminalamt in Hannover, dem WESER-KURIER. Daran sei das Internet schuld, es habe das explosive Know-how gefährlich weit verbreitet. Allerdings gibt es offenbar auch Gesetzeslücken: Nachdem die Pläne der Sauerland-Gruppe bekannt geworden waren, hat das Bundesjustizministerium die Chemikalienverbotsverordnung verschärft. Sie erlaubt jetzt nur noch den Handel mit Wasserstoffperoxid in niedriger Konzentration.
Quelle: Weser-Kurier