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Neue Studie: Lokführer der Deutschen Bahn überlastet

Archivmeldung vom 19.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nach einem neuen Gutachten des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart, die dem ZDF-Magazin "Frontal 21" vorliegt, fühlen sich viele Lokführer der Deutschen Bahn zunehmend überlastet. Sie müssten häufiger in aufreibenden Nacht- und Frühschichten arbeiten, immer mehr technische Störungen bewältigen und sehen sich bei traumatischen Ereignissen von der Bahnführung im Stich gelassen.

Das geht hervor aus der Studie "Belastung von Lokführern im Eisenbahnbetrieb", die im Auftrag der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) erstellt wurde. Für sie wurden Hunderte Lokführer der Deutschen Bahn befragt.

Danach fühlt sich jeder zweite Lokführer der Deutschen Bahn nach traumatischen Ereignissen wie Suiziden nicht ausreichend betreut. "Ein sehr erschreckendes Ergebnis", so Sven Grünwoldt, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Lokführer, gegenüber "Frontal 21". Mehr als die Hälfte der Befragten würden die Betreuung nach Eisenbahnbetriebsunfällen oder Suiziden "höchstens mit 'befriedigend' aber sehr oft mit 'schlecht' oder 'sehr schlecht' angeben". Zwei Drittel der Lokführer haben bereits einen Bahnbetriebsunfall erlebt.

Pro Jahr töten sich etwa 1000 Menschen auf Deutschlands Gleisen, durchschnittlich drei am Tag. Gewerkschafter Grünwoldt fordert einen 24-stündigen Bereitschaftsdienst. Psychologisch geschulte Betreuungspersonen müssten sofort an den Unfallort und sich um den betroffenen Lokomotivführer oder auch Zugbegleiter kümmern. "Die Erstbetreuung ist an dieser Stelle von ganz entscheidender Bedeutung", so Grünwoldt. Die Deutsche Bahn, der die Studie vorliegt, teilte auf Nachfrage von "Frontal 21" mit, ihr Betreuungskonzept für Lokführer sei führend in Europa, sie biete der GdL aber an, es zu optimieren.

Weiter ergab die Befragung, dass die Belastung durch die Arbeit in Schichten gestiegen ist. Bei 50 Prozent der Lokomotivführer beginnt oder endet der Dienst sechs- bis neunmal im Monat zwischen 0.00 und 4.00 Uhr. Besonders belastend wirken sich die so genannten "Kurz-Wechsel" aus, also entweder von einer Nacht- in eine Frühschicht oder umgekehrt. Außerdem seien "Schichten bis zu 14 Stunden keine Seltenheit", so Grünwoldt gegenüber "Frontal 21". Zwar fahre der Lokomotivführer nicht während der gesamten Zeit, aber: "Er hat auch keine Pause in den Zwischenzeiten, wo er nicht fährt, sondern die Schichten sind aufgefüllt mit weiteren betrieblichen und technischen Aufgaben." Seit der Bahnreform 1994 hat die Bahn 10 000 Lokführer abgebaut. Die Folge laut Grünwoldt: "eine Effizienzsteigerung in den Schichten" mit längeren Fahrabschnitten und das "Auffüllen von Schichten mit betrieblichen Aufgaben". Sein Fazit: "Das ist ganz klipp und klar in den letzten Jahren zu verzeichnen, dass die Belastung natürlich auch steigt." Die Deutsche Bahn entgegnet auf Nachfrage: "Gesetzliche, tarifliche und betriebliche Regeln schaffen Rahmenbedingungen, um die Belastungen leistbar zu machen." Laut der Studie haben Lokführer auch immer häufiger mit technischen Problemen zu tun. Mehr als die Hälfte aller befragten Lokführer im Fernverkehr müssen bis zu vier Störungen in einer Schicht bewältigen. Bei den S-Bahn-Lokführern waren es sogar 61 Prozent. Für den Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Berlin Brandenburg, Hans-Werner Franz, geht das zu Lasten der Sicherheit: "Für den Lokführer ist es eine sehr große Stresssituation; wenn er dann die Situation nicht vollkommen beherrscht, bedeutet das, es ist ein Risiko für die Fahrgäste." Die Deutsche Bahn erklärt gegenüber "Frontal 21": "Es wird nicht an der Sicherheit gespart. Vielfach muss in der Wartung das ausgeglichen werden, was die Fahrzeugindustrie leisten müsste."

Quelle: ZDF

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