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Survival International: BBC-Sendung ist “inszeniert, falsch, fabriziert und verdreht”

Archivmeldung vom 02.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Matsigenka Mädchen, Peru. Bild: G Shepard/ Survival
Matsigenka Mädchen, Peru. Bild: G Shepard/ Survival

Eine TV-Serie über ein indigenes Volk im Amazonasgebiet wurde jetzt von Experten als “inszeniert, falsch, fabriziert und verdreht” attackiert. Mark & Olly: Living with the Machigenga wurde letztes Jahr von der BBC und auf dem Reisekanal Travel Channel in den USA ausgestrahlt. Für die Sendung lebten Mark Anstice und Olly Steeds für einige Monate in einem Dorf der Matsigenka-Indianer, um das “echte” Leben innerhalb des Volkes zu zeigen.

Nun haben zwei Matsigenka-Experten öffentlich schwere Anschuldigungen gegen die Sendung erhoben: Der Anthropologe Dr. Glenn Shepard, der seit 25 Jahren mit den Matsigenka-Indianern arbeitet und ihre Sprache fließend spricht, sowie Ron Snell, Sohn von Missionaren, der mit dem indigenen Volk aufgewachsen ist und auch seine Sprache beherrscht.

Die im renommierten Journal Anthropology News veröffentlichten Anschuldigungen Shepards beinhalten unter anderem:

  • Um ein “falsches und beleidigendes” Porträt zu erstellen, welches das Volk als sexbesessen, gemein und primitiv darstellt, wurden viele Übersetzungen der Aussagen der Matsigenka erfunden.
  • Viele Geschehnisse, welche in der Sendung als echt dargestellt wurden müssen “inszeniert” gewesen sein.
  • Eine Schlüsselszene der Sendung, in der Olly Steeds die “uralte Bestrafung” von schmerzhaften Ameisenstichen aushalten muss, um “nach der Matsigenka-Tradition gereinigt zu werden” weil er Rehfleisch gekauft hatte, verurteilt Shepard als “fabriziert und ohne Grundlage in der Ethnografie des Volkes”.

Ron Snell beschuldigt die Filmemacher auf seinem Blog, die “Machiguengas bezahlt zu haben, um zu schauspielern, um Dinge zu sagen, die die Machiguengas normalerweise niemals sagen würden, und um Dinge zu machen, welche die Machiguengas normalerweise nicht tun würden.”

Nachdem er zwei der Indianer, die in der Sendung vorkommen, interviewt hatte, berichtetet Snell: "Unsere Vermutungen wurden bestätigt. Sie [Mark und Olly] gelangten auf einem gut zugänglichen Weg in das Dorf und gingen nur ein paar Schritte vom Weg ab, um sich dabei zu filmen, wie sie sich “den Weg durch den Dschungel schlagen”. Sie verpflichteten jemanden neue cushmas [Baumwolltunikas] herzustellen, so dass jeder eine davon tragen konnte. Sie inszenierten die ganze Geschichte, in der einer von den beiden akzeptiert wurde und der andere als fauler Außenseiter behandelt wurde…

“Der Übersetzer war schnell desillusioniert von der ganzen Sache, aber machte des Geldes wegen weiter. Er ist beschämt und peinlich berührt, dass er überhaupt etwas damit zu tun hatte.”

Schon einmal war die Serie in die Schlagzeilen geraten, nachdem eine Erkundungsexpedition der Sendung in Peru beschuldigt wurde, für den Ausbruch einer Grippewelle innerhalb einer Gruppe isoliert lebender Indianer verantwortlich zu sein, die zum Tod von vier Personen führte. Die Sendung wurde in der Nähe dieses Vorfalls gedreht.

Cicada, die Produktionsfirma der Sendung, hat bisher zu keinem der Kritikpunkte Stellung genommen.

Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: ’’_Mark & Olly: Living with the Machigenga_ ist ein deprimierendes Beispiel dafür, wie indigene Völker immer wieder im Fernsehen dargestellt werden. Ein Klischee folgt dem nächsten, indem die Matsigenka auf verschiedenartige Weise als gefühllos, pervers, grausam und primitiv dargestellt werden. Ist es das, was das Filmteam wirklich über seine Gastgeber dachte? Medien würden sich niemals wagen, ähnlich falsche Behauptungen über andere Minderheiten zu machen: Stellen Sie sich vor, dieselben Beschreibungen würden über eine ethnische Minderheit in der industrialisierten Welt gemacht. Traurigerweise ist das aber nur zu typisch- das Fernsehen kommt heutzutage mit Darstellungen davon, die vor hundert Jahren hätten gemacht werden können."

Als Antwort auf diesen beunruhigenden Trend indigene Völker in einer negativen Weise darzustellen, entwirft Survival einen Leitfaden für Dokumentarfilmer, den sie bei ihrer Arbeit befolgen sollten.

Hintergrundinformationen mit weiteren Beispielen von Fehlübersetzungen und Ungenauigkeiten stehen hier zum Herunterladen bereit.

Quelle: Survival Deutschland

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