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Nazi-Verbrechen: Noch 29 Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter

Archivmeldung vom 24.09.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.09.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: Martin Jäger / pixelio.de
Bild: Martin Jäger / pixelio.de

In Deutschland laufen noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher. Das haben Recherchen des NDR Politikmagazins Panorama 3 ergeben. Vor allem ehemalige Wachleute in Konzentrationslagern sind in den Fokus der Ermittlungen geraten. Die Angehörigen der Wachmannschaften sollen als Teil der Mordmaschinerie das systematische Töten von Menschen ermöglicht haben.

Gegen einen KZ-Aufseher beginnt im Oktober der Prozess in Hamburg. Es könnte einer der letzten sein. Denn wegen des hohen Alters der Beschuldigten werden weitere Prozesse immer unwahrscheinlicher. Die 29 Strafverfahren laufen bei Staatsanwaltschaften über ganz Deutschland verteilt, wie eine Umfrage des NDR Magazins Panorama 3 unter allen deutschen Strafverfolgungsbehörden ergeben hat. Insgesamt richten sich die Ermittlungen gegen rund 50 namentlich bekannte Beschuldigte, darunter sind auch Frauen. In einigen Fällen ist unklar, ob die Tatverdächtigen noch leben. Den Beschuldigten wird Mord oder Beihilfe zum Mord, teilweise in tausenden Fällen, vorgeworfen. Gegen weitere Verdächtige laufen sogenannte Vorermittlungen - hier wird noch geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.

Zwei der Verfahren führten zu Anklagen gegen Wachleute aus dem Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. Sie sollen durch ihren Dienst das Morden ermöglicht haben. Am Landgericht Hamburg beginnt nun Mitte Oktober der Prozess gegen den 93 Jahre alten Bruno D. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen im KZ Stutthof vor. Gegenüber Panorama 3 wollte Bruno D. sich nicht äußern. In dem zweiten Fall gegen einen 94-Jährigen am Landgericht Wuppertal ist noch offen, ob es einen Prozess geben wird. Wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage des NDR mitteilte, war es "wegen der anhaltend hohen Belastung der Kammer mit vorrangig zu bearbeitenden Haftsachen" noch nicht möglich, über eine Übernahme des Verfahrens zu entscheiden.

Die meisten der 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Mordhelfer in der NS-Zeit laufen bei den Staatsanwaltschaften in Neuruppin und Erfurt. Die Strafverfolger im brandenburgischen Neuruppin sind für Taten in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück zuständig. Zwölf Verfahren gegen KZ-Aufseherinnen und -Aufseher sind hier anhängig. In die Zuständigkeit der Erfurter Ermittler fällt das KZ Buchenwald, gegen sechs mutmaßliche Angehörige der dortigen Wachmannschaften wird noch ermittelt. Einzelne Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter sind noch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern anhängig. Bei einigen Verfahren geht es um Massaker von SS-Einheiten in Frankreich und durch Mitglieder von "Sicherheitspolizei" und "Sicherheitsdienst" in der heutigen Ukraine. In Schleswig-Holstein laufen in Itzehoe und Lübeck Strafverfahren gegen zwei Frauen, die im KZ Stutthof tätig gewesen sein sollen. In Hamburg wird noch gegen eine jetzt 97-jährige ehemalige Aufseherin in dem KZ Bergen-Belsen, ermittelt, da sie 1945 an einem Todesmarsch von KZ-Häftlingen beteiligt gewesen sein soll, bei dem 1400 Frauen ums Leben kamen.

Die meisten Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher gehen auf Vorermittlungen bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg bei Stuttgart zurück. Hier versuchen die Ermittler herauszufinden, welche mutmaßlichen Täter noch leben und inwiefern diese für ihre Taten noch belangt werden können. Derzeit stehen noch vier Konzentrationslager im Fokus der Ludwigsburger Ermittler. Da die Zentrale Stelle selbst keine Ermittlungsmaßnahmen durchführen darf, gibt die Behörde die Verfahren nach den Vorermittlungen an die zuständigen Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland ab. Für den Leiter der Zentralen Stelle Jens Rommel ist auch über 74 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Strafverfolgung von mutmaßlichen Tätern noch wichtig. Die heutige Aufklärung von NS-Verbrechen könne dazu beitragen, "festzustellen, was geschehen ist, und die persönliche Verantwortung des Einzelnen in dem verbrecherischen System zu bestimmen", sagt Rommel im NDR Interview. So könnten die Geschehnisse "auch heute noch als Unrecht" bewertet werden. Auch für die vielen Opfer des NS-Regimes seien diese Verfahren von großer Bedeutung.

Mehr zu dem Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. in Hamburg bei Panorama 3, Dienstag, 24.09.2019, 21.15 Uhr im NDR Fernsehen.

Quelle: NDR / Das Erste (ots)

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