Gymnasien haben kein Interesse an der Rückkehr zu G9
Archivmeldung vom 11.10.2010
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Freigeschaltet durch Fabian PittichEine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wird es im Ruhrgebiet nicht geben. Dies ergab eine flächendeckende Umfrage der WAZ-Lokalredaktionen. Damit läuft der Schulversuch der rot-grünen Minderheitsregierung an Rhein und Ruhr ins Leere. An der Umfrage nahmen nicht nur rund 90 Gymnasien teil, sondern auch Eltern- und Schülervertreter sowie Verantwortliche in den Kommunen. Ob Stadt oder Land: Der Tenor war immer gleich. Eine Rückkehr zu G9 konnte man sich nur an einer einzigen Schule vorstellen.
"Das deckt sich mit dem, was wir wissen", sagt Gabriela Custodis, Vorsitzende der Landeselternschaft Gymnasien. Sie habe "von lediglich ein oder zwei" der 630 Gymnasien in NRW gehört, die sich vorstellen könnten, am Schulversuch teilzunehmen. Hauptgrund für die ablehnende Haltung zum Schulversuch ist der Wunsch nach Ruhe. "Wir haben uns mit G8 arrangiert", sagt etwa die Velberter Schulleiterin Angelika Vogt. Der Gelsenkirchener Schuldezernent Manfred Beck (Grüne) übt sogar Kritik an der rot-grünen Landesregierung: "Aus meiner Sicht hätte es einer Rückkehr zu G9 nicht bedurft." Das G9-Angebot der Gesamtschulen und Berufskollegs reiche aus. Diese Einstellung hält der Dortmunder Bildungsforscher Professor Wilfried Bos für vernünftig. "G8 läuft von Jahr zu Jahr runder", sagt der Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der Uni.
Nach den Vorstellungen der Landesregierung sollen im Schuljahr 2011/2012 bis zu zehn Prozent der Gymnasien wieder das Abitur nach neun Jahren anbieten können. Trotz des kaum vorhandenen Interesses verteidigt Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) den neuen Schulversuch. "Zu keinem anderen Thema habe ich seit meiner Amtseinführung so viele kritische Rückmeldungen bekommen wie zum überhastet eingeführten Abitur nach zwölf Jahren." Dass kaum ein Gymnasium beim Schulversuch mitmachen wolle, überrasche nicht, versicherten sowohl Löhrmann als auch die Ministerpräsidentin. Hannelore Kraft (SPD): "Sie wollen keine neue Organisationsumstellung."
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung