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Neue Vorwürfe im Friesenhof-Skandal: Gewalt, Isolation, Schlafentzug

Archivmeldung vom 09.06.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.06.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: kiju-friesenhof.d
Bild: kiju-friesenhof.d

Im Skandal um die Mädchenheime der Jugendhilfeeinrichtung "Friesenhof" im Kreis Dithmarschen erheben ehemalige Bewohnerinnen neue, schwere Vorwürfe. Gegenüber dem Politikmagazin "Panorama 3" im NDR Fernsehen berichten die jungen Frauen von einem System der Unterdrückung und Erniedrigung, zu dem auch körperliche Gewalt der Erzieher gehört habe. Mädchen, die sich nicht an die Regeln gehalten hätten, seien demnach gepackt, "auf den Boden geklatscht" und mit dem Knie des Erziehers weiter in Schach gehalten worden. Immer wieder seien Betreute einem gezielten Schlafentzug ausgesetzt worden. Einige Mädchen seien tagelang mit Sprechverbot von jeglichem Kontakt zu anderen Menschen isoliert worden.

"Panorama 3" hat in den vergangenen Tagen mit mehr als 20 Mädchen gesprochen, die zwischen 2008 und 2014 im Friesenhof untergebracht waren. Sie alle berichten von ähnlichen Schikanen und erniedrigenden Erziehungsmethoden: Demnach mussten sich Mädchen bei der Ankunft im Heim nackt ausziehen. Teilweise gab es wochenlang dasselbe ungewürzte Essen. Regelmäßig seien die Mädchen zu zwangsweisem Sport angetrieben worden. Das fand teilweise mitten in der Nacht statt, so dass die Mädchen aus dem Schlaf gerissen wurden. Bei der Kollektivstrafe "Aussitzen" habe die ganze Gruppe stunden-, teilweise tageweise stumm beisammen sitzen müssen, bis ein Mädchen ein vermeintliches Vergehen gestanden habe.

Die Betreiberin des Friesenhofes, Barbara Janssen, bestätigte gegenüber "Panorama 3", dass Telefonate mitgehört und Briefe geöffnet worden seien. Außerdem seien aggressive Mädchen zu ihrem eigenen Schutz festgehalten worden. Alle weiteren Vorwürfe bestreitet sie: Diese Maßnahmen hätten so nicht stattgefunden.

Der Kriminologe und Sozialpädagoge Prof. Michael Lindenberg von der Evangelischen Fachhochschule Hamburg warnt hingegen davor, die Aussagen der Mädchen einfach als Lüge abzutun. "Wenn Kinder so etwas sagen, dann gehen wir zunächst einmal davon aus, dass sie lügen. Das ist aber eine falsche Vorstellung. Kinder lügen genauso viel und genauso wenig wie Erwachsene."

Mittlerweile hat das Landesjugendamt zwei der zum "Friesenhof" gehörenden Einrichtungen die Betriebserlaubnis entzogen. Als Gründe wurden unzureichendes Fachpersonal und inakzeptable pädagogische Methoden angegeben. Vorangegangen war eine Überprüfung durch das Landesjugendamt. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe prüft den "Friesenhof" und sein Personal auf Vergehen.

Zitate aus Interviews, die "Panorama 3" am Dienstag, 9. Juni, um 21.15 Uhr im NDR Fernsehen zeigt:

Denise über das "auf den Boden klatschen": "Dann hat er mich auf den Boden gelegt, hat meine Hand nach hinten gedreht und dann lag ich da fünf Minuten, zehn Minuten, bis ich gesagt habe: Okay, ich mache es jetzt."

Maren (Name geändert) über das nackt Ausziehen: "Weil fremde Personen mich nackig sehen und ich in meiner Vergangenheit schon was Schlimmes erlebt habe, war es einfach unangenehm."

Rebecca über den Tag der Ankunft: "Schrecklich, weil mir an diesem Tag alles genommen worden ist. Ich hatte ja nichts mehr. Ich hatte nicht mal mehr meine eigenen Gegenstände, die mir superwichtig waren. Ich hatte überhaupt keinen Kontakt zur Außenwelt. Niemand wusste, wo ich bin, und ich durfte auch niemandem Bescheid sagen. Ich war ganz anonym verschwunden sozusagen."

Denise über die Kontrolle der Briefe: "Ich habe alles rein geschrieben, was da passiert ist und der Brief wurde vor meiner Nase zerrissen. Die haben gesagt, den schicken wir nicht ab wegen den negativen Ereignissen, die du da reingeschrieben hast."

Angelina über das "Aussitzen": "Man sitzt, man darf ab und zu was trinken, kriegt ab und zu vielleicht ein bisschen Obst zu essen. Wir sitzen weiter, auch wenn Schlafenszeit ist. Wenn einer kurz vorm Einschlafen ist, heißt es Strafsport, alle müssen sich bewegen."

Rebecca: "Die haben beschlossen, dass ich isoliert werde. Ich bin dann in ein Appartement gekommen. Man hat da geschlafen. Eine Woche dasselbe Zimmer und da wird man verrückt, weil Du keine Gespräche führen darfst."

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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