Thomas Minder ist der Europäer des Jahres 2014
Archivmeldung vom 21.01.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.01.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserThomas Minder ist der Reader's Digest "Europäer des Jahres 2014". Der Schweizer erhält den Preis dafür, dass er den Umgang mit Bonuszahlungen und Abfindungen für Top-Manager in seinem Heimatland entscheidend verändert hat und damit für eine gerechtere Gesellschaft eintritt. Minder ist selbst Unternehmer und unabhängiger Vertreter im Ständerat der Schweiz. Der 53-Jährige rief die Initiative für eine Volksabstimmung "Gegen die Abzockerei" ins Leben, die er im Frühjahr 2013 mit 68 Prozent der Stimmen gewann. Nun ist das Schweizer Parlament dabei, den erklärten Volkswillen in Gesetzesform zu bringen.
Nach Minders "Abzocker-Initiative" haben die Aktionäre von in der Schweiz notierten Unternehmen nun ein entscheidendes Mitbestimmungsrecht über Bonuszahlungen an Führungskräfte: Schluss mit Einstellungsprämien und gigantischen Abfindungen für scheidende Führungskräfte. Das neue Gesetz sieht bei Verstößen Haftstrafen von bis zu drei Jahren vor. Mit diesem Erfolg hat Minder wesentlich dazu beigetragen, das Thema Gehaltsbegrenzungen für Führungskräfte in die europäische Debatte einzubringen. Maximilian Reimann von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) sagt, dass Minder "wirklich politische Weitsicht bewiesen hat". Simon Tilford, stellvertretender Leiter des Zentrums für Europäische Reform in London, meint: "Aktionären deutlich mehr Einfluss zu geben, ist ein Schritt in die richtige Richtung."
Jedes Jahr nominieren die Chefredakteure der europäischen Ausgaben von Reader's Digest Menschen, die sich brennender gesellschaftlicher Themen annehmen und dabei helfen, das Leben anderer zu verbessern. Zu den Nominierten für 2014 zählt neben Thomas Minder auch die Österreicherin Cecily Corti, die Obdachlosen in Wien neue Perspektiven bietet.In der Februarausgabe porträtiert Reader's Digest den Preisträger Thomas Minder und beschreibt, wie der Hersteller von Kräuterzahnpasta und anderen Kosmetikartikeln sich zum Rebellen des Schweizer Kapitalismus entwickelt hat. Nach seinem Studium arbeitete Minder in New York für ein Schweizer Unternehmen, das Strohhüte herstellte. Zurück in der Schweiz führte er das Familienunternehmen Trybol mit Sitz in Neuhausen am Rheinfall.
Als im Jahr 2001 mit der Fluglinie Swissair ein Großkunde des Zahnpastaherstellers in Konkurs ging, blieben bereits gelieferte Toilettenartikel unbezahlt. Die ausstehende Rechnung wurde schließlich von der neuen Leitung der Fluggesellschaft bezahlt, doch Minder war entsetzt, als er entdeckte, dass der aus dem Amt scheidende Swissair-Chef Mario Corti noch kurz vor der Pleite einen Gehaltsvorschuss von 7,5 Millionen US-Dollar erhalten hatte. "Ich war außer mir. Und ich bin es noch", sagt er. Als Minder bemerkte, dass sich auch andere Firmenchefs großzügig für mittelmäßige Ergebnisse und sogar Pleiten belohnen ließen, reifte sein Entschluss heran.
Im Jahr 2006 startete er seine Kampagne für einen Volksentscheid mit dem Ziel, die Selbstbedienung in den oberen Etagen zu begrenzen. Innerhalb der Frist von 18 Monaten sammelte er die für eine Volksabstimmung erforderlichen 100 000 Unterschriften. Noch vor der Abstimmung geriet er 2008 öffentlich mit der UBS in Streit. Er beschrieb die Bank als "verantwortlich für die größten Abschreibungen in der Schweizer Unternehmensgeschichte". Damit bezog er sich auf die Verluste der UBS während der Finanzkrise. Weil er auf der Hauptversammlung des Unternehmens vom Rednerpult aus direkt auf den Verwaltungsratspräsidenten Marcel Ospel zuschritt, wurde er von der Veranstaltung ausgeschlossen. Minder erinnert sich: "Die Sicherheitsbeamten haben mir die Hände auf den Rücken gedreht. Die führten mich wie einen Verbrecher aus dem Saal. Und dann - stellen Sie sich das vor - ruft das Publikum plötzlich: 'Bringen Sie ihn zurück!'"
Minder wurde 2011 für den Kanton Schaffhausen in den Ständerat, die kleine Kammer des Schweizer Parlaments, gewählt. Neben seinen anderen Interessen - er spielt an der Seite anderer "alter Herren" Fußball beim örtlichen Club, dem FC Schaffhausen - ist Minder ein engagierter Ornithologe und Mitglied des World Wildlife Fund.
Die Auszeichnung Reader's Digest "Europäer des Jahres"
Seit Einführung dieses einzigartigen Preises im Jahr 1996 hat das Magazin zahlreiche - nicht immer im Rampenlicht stehende - Menschen geehrt, die sich im Dienst der Gesellschaft engagieren. Preisträger früherer Jahre waren unter anderem die Kölner Ärztin Dr. Monika Hauser (2011), die traumatisierten Frauen in Kriegsgebieten hilft, der Wolfsburger Aids-Aktivist Joachim Franz (2009) und der Berliner Kämpfer gegen Korruption Dr. Peter Eigen (2004).
Quelle: Reader's Digest Deutschland (ots)