Richard von Weizsäcker von Stasi im Hotelzimmer abgehört
Archivmeldung vom 19.08.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer CDU-Politiker und ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist bei seinen Reisen in die DDR systematisch vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überwacht worden. Der DDR-Geheimdienst schreckte dabei nach einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" nicht vor massiven Eingriffen in die Privatsphäre zurück.
Als von Weizsäcker bereits regierender Bürgermeister von Berlin war, hörte ihn die Stasi am 27. August 1982 in seinem Appartement im "Hotel Frankfurt" (Frankfurt/Oder) heimlich ab. Doch der Politiker hatte Vorsorge getroffen, weshalb seine Gespräche mit drei Begleitern nur verstümmelt festgehalten werden konnten. Die "Welt" zitiert aus dem entsprechenden MfS-Protokoll, in dem es heißt: "Da wiederum das Radio und der Fernsehapparat sehr laut eingestellt wurden, konnten dem Gespräch nur die Worte `Seelower Höhe` und `Oderbruch` entnommen werden." Die Observation von Weizsäcker ist in einem 1293 Seiten umfassenden Stasi-Dossier dokumentiert, dass die Birthler-Behörde jetzt auf Antrag der "Welt" und mit Einwilligung des Betroffenen für die Forschung freigegeben hat. Die nun zugänglichen Unterlagen umfassen nicht nur Berichte, sondern auch 30 unveröffentlichte Observationsfotos.
Wie die "Welt" schreibt, hat von Weizsäcker die DDR ungewöhnlich oft aus dienstlichen oder privaten Anlässen besucht. Zwischen 1964 und 1984 sind in dem Konvolut der Birthler-Behörde insgesamt 66 DDR-Aufenthalte belegt. Vermutlich liegt die Zahl noch höher, weil die Stasi-Akten laut dem Bericht offenbar lückenhaft und gleich für mehrere Jahre keine Angaben vorhanden sind. Wie die Zeitung weiter schreibt, hatte die Stasi von Weizsäcker den Decknamen "Waldkauz" gegeben. Zugleich war der Christdemokrat als "Fahndungsobjekt Nr. 160.014" ausgeschrieben. Das bedeutete, dass alle Ein- und Ausreisen auch auf der Transitstrecke sofort den zuständigen Stellen gemeldet werden mussten, zitiert die "Welt" aus den Akten. Der Geheimdienst suchte auch in seinen NS-Archiven nach belastendem Material. Im März 1981 beauftragte die Stasi zum wiederholten mal ihre dafür zuständige Hauptabteilung IX/11 mit entsprechenden Recherchen, so die "Welt". In einer späteren Personeneinschätzung laut dem Zeitungsbericht allerdings vermerkt: "Keine Belastung vor 45."
Quelle: dts Nachrichtenagentur