Magazin: Offenbar schwere Polizeifehler bei der Duisburger Loveparade
Archivmeldung vom 16.05.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Polizeiführung hat bei der Duisburger Loveparade, die 21 Tote und Hunderte Verletzte forderte, offenbar gravierende Fehler gemacht. Das geht nach Informationen des "Spiegel" aus einem mehr als 400 Seiten starken Bericht der Staatsanwaltschaft Duisburg vom Januar 2011 hervor. Den Ermittlungen zufolge waren im Zugangsbereich des Partygeländes, wo Besucher zu zehntausenden durch einen engen Tunnel laufen mussten, lediglich zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei zur Sicherung eingeplant, die sich am Nachmittag der Techno-Parade ablösen mussten.
Dieser ursprünglich nicht vorgesehene Schichtwechsel war notwendig geworden, nachdem das Düsseldorfer Innenministerium wenige Wochen vor der Loveparade per Erlass bestimmt hatte, die Dienstzeit der eingesetzten Beamten auf maximal zwölf Stunden zu begrenzen, inklusive An- und Abreise. Die Änderung des Einsatzbefehls sorgte polizeiintern für scharfe Kritik. Wie aus Aktenvermerken hervorgeht, wurde im Vorfeld wiederholt vor den Konsequenzen eines Schichtwechsels gewarnt. Die geplante Ablösezeit am Nachmittag falle in die "kritische Einsatzphase" der Loveparade, in der man dann nur "eingeschränkt handlungsfähig" wäre. Die Kräfte könnten in dem Gedränge nur unter großen Schwierigkeiten ihren Einsatzort erreichen; für zwei Stunden könne nicht garantiert werden, dass polizeiliche Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt würden. Genau diese Probleme traten später auch ein: Bereits während des Schichtwechsels eskalierte die Lage im Zugangsbereich; erst mehr als eine Stunde später stoppte die Polizei den ungebremsten Zulauf in den Tunnel, der letztendlich zu der tödlichen Massenpanik führte.
Zudem hatte die Polizei nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft größere Kommunikationsprobleme als bislang bekannt. Immer wieder, so erklärten Beamte bei Vernehmungen, seien am Tag der Loveparade ihre Funkgeräte ausgefallen. Auch mit dem Handynetz habe es große Probleme gegeben. Nur ein "verschwindend geringer" Teil der Polizeihandys, so heißt ! es in einem Auswertungsvermerk, sei zuvor bei der Bundesnetzagentur für eine Vorrangschaltung angemeldet worden, die eine Kommunikation der Polizei auch in überlasteten Netzen ermöglicht hätte.
Das Innenministerium wollte sich gegenüber dem "Spiegel" nicht zu den Vorwürfen äußern, "um den Erfolg des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht zu gefährden", wie ein Sprecher erklärte.
Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft: "Die Loveparade hätte niemals genehmigt werden dürfen, sie hätte nie stattfinden dürfen"
Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sagt zum Bericht der Staatsanwaltschaft zur Loveparade-Katastrophe in Duisburg: "Sowohl was die Zuständigkeit für die Genehmigung als auch für die Durchführungsverantwortung angeht, gibt es überhaupt keinen Zweifel. Da ist die Stadt Duisburg und auch der Veranstalter voll in der Verantwortung. Es gibt bei einem Einsatz dieser Größenordnung immer mal auch wieder Einzelentscheidungen, die umstritten sind und das wird ja jetzt durch die sehr sorgfältigen Recherchen der Staatsanwaltschaft mit über 2500 Zeugen, die vernommen werden, deutlich."
"An meiner Einschätzung hat sich nichts geändert: Die Loveparade hätte niemals genehmigt werden dürfen, sie hätte nie stattfinden dürfen. Dafür sind die Stadt Duisburg, die Stadtspitze, und der Verantwortliche, der Veranstalter nämlich, zuständig."
Zu dem Schichtwechsel der Polizei: "Der Schichtwechsel vor Ort wird durch den Polizeiführer vor Ort angeordnet. Das hat überhaupt nichts mit der Einteilung der Arbeitszeit zu tun. Das wird lageangepasst durch die Einsatzleitung gemacht. Wann das gemacht wurde – in dem Bericht war ja von 16 Uhr die Rede, nach meinen Informationen war es früher und hat deshalb nicht ursächlich zu dieser Katastrophe beigetragen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur / n-tv