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"Kampf um die Armut": Experten mahnen Armutsbekämpfung und gerechte Verteilungspolitik an

Archivmeldung vom 18.11.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.11.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann/Shapes:AllSilhouettes.com / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann/Shapes:AllSilhouettes.com / pixelio.de

Gerade angesichts der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Hilfe suchen, sei die Bundesregierung mehr als je zuvor seit der Vereinigung zu einer offensiven Sozialpolitik aufgerufen, mahnen maßgebliche Experten anlässlich der Präsentation des Buches "Kampf um die Armut: Von echten Nöten und neoliberalen Mythen" in Köln. Ohne ein engagiertes staatliches Gegensteuern bestehe die große Gefahr, dass die steigenden Flüchtlingszahlen zu einer noch tieferen Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft als ohnehin gegeben, führten.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass wieder einmal die Armen mit den Armen teilen sollen, weil sich die Bundesregierung zu einer echten solidarischen Umverteilungspolitik nicht bereitfindet", warnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen und Herausgeber des im Westend Verlages erschienenen Buches. Der entscheidende Hebelpunkt dafür, dass und ob es der Politik gelinge, eine solche Strategie zu Lasten der Ärmsten umzusetzen, sei die Neujustierung des Armutsbegriffs. So kritisieren die Autoren, dass Arbeitsministerin Nahles bereits davon spreche, dass Hilfen künftig auf "wirklich" Bedürftige zu konzentrieren seien und nicht jeder arm sei, nur weil er zu wenig Geld habe. "Vordergründig geht es um Definitionen und wissenschaftliche Methoden - tatsächlich aber um knallharte Interessenpolitik", so Schneider.

Die Autoren, die erstmals in dieser Form gemeinsam an die Öffentlichkeit treten, setzen sich in dem Buch aus politischer, ökonomischer und ethischer Perspektive mit der aktuellen Debatte um den Armutsbegriff auseinander. "In einem wohlhabenden Land wie der Bundesrepublik wird Armut häufig relativiert, verharmlost und beschönigt, um die bestehende Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen und Lebenschancen zu rechtfertigen. Wer umgekehrt nach mehr sozialer Gerechtigkeit strebt, muss sich gegen die Verdrängung des Begriffs "Armut" aus dem öffentlichen Diskurs ebenso zur Wehr setzen wie gegen seine Verengung auf Not und Elend, um nicht von vornherein chancenlos zu sein", so Armutsforscher Christoph Butterwegge. Das Buch ist auch gedacht als politische Aktion gegen einen neoliberalen Mainstream. "Über die Armut in einem reichen Land wird lamentiert und die Armen werden verdächtigt. Doch wachsende Armut und exklusiver Reichtum entstehen, weil die Märkte regieren und der Sozialstaat fahrlässig demoliert wird", so Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach SJ.

Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Stefan Sell unterstreicht, dass auch volkswirtschaftliche Motive für eine Umverteilung sprechen: "Armut und zunehmende Ungleichheit sind auch aus ökonomischer Sicht schädlich für die Menschen und die Gesellschaft. Verbesserungen bei den Ärmsten und gerade auch bei den Niedrigeinkommensbeziehern wirken sich volkswirtschaftlich und erst recht gesellschaftlich enorm positiv aus. Am Ende profitieren alle."

Die Zahl der von Armut und Ausgrenzung Betroffenen in Deutschland sei in den letzten Jahren insbesondere in Folge gravierender Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich gestiegen. Dazu komme, dass Armutsphasen heute überwiegend langfristig seien, wie sich unter anderem an der Situation der Tafeln nachzeichnen lasse, so Rudolf Martens, Leiter der Paritätischen Forschungsstelle: "Armut trotz Arbeit ist die Kehrseite des deutschen Beschäftigungswunders."

Quelle: Paritätischer Wohlfahrtsverband (ots)

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