Thansau: Migranten müssen tagelang in Lkw-Auflieger ausharren
Archivmeldung vom 10.11.2020
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Freigeschaltet durch André OttKälte, kaum zu essen oder zu trinken, Flaschen für die Notdurft und kein Halt auf den Paletten. Diese Umstände mussten drei Afghanen drei Tage lang auf der Ladung eines Lkw-Aufliegers durchstehen.
Als der Anhänger am Montag (9. November) in Thansau (Gemeinde Rohrdorf am Inn, Landkreis Rosenheim) entladen werden sollte, sprangen die beiden Minderjährigen und der junge Mann von dem Auflieger. Ersten Ermittlungen der Bundespolizei in Rosenheim zufolge hatten kriminelle Schleuser die höchst gefährliche Etappe von Rumänien nach Deutschland organisiert. Für die gesamte Schleusung, die in Afghanistan ihren Ausgangspunkt hatte, mussten die drei Migranten eigenen Angaben zufolge an Hintermänner insgesamt 18.500 Euro zahlen.
Der bulgarische Lkw-Fahrer wusste offenkundig nicht, dass er abgesehen von seiner Fracht in seinem Anhänger auch "blinde Passagiere" transportierte. Erst als er auf einem Firmengelände in Thansau die Plane zum Abladen zur Seite zog, bemerkte er die drei Personen. Diese sprangen unvermittelt herunter und rannten davon. Im Ort fragten sie bei Anwohnern nach, ob sie bereits in Deutschland seien. Beamte der verständigten Polizeiinspektion Brannenburg konnten die drei in Gewahrsam nehmen. Nachdem die beiden 16-Jährigen und der 23-Jährige zur Bundespolizei nach Rosenheim gebracht worden waren, wurden sie zunächst versorgt und einem medizinischen Screening unterzogen. Dabei stellte sich heraus, dass einer der Minderjährigen Fieber hatte. Daher wurde ein Corona-Schnelltest durchgeführt. Mit dessen Hilfe konnte eine Corona-Infektion ausgeschlossen werden.
Den Ermittlern schilderten die Geschleusten, dass sie zunächst von Afghanistan über Pakistan und den Iran in die Türkei geflohen wären. Dann wären sie über Griechenland und Serbien bis nach Rumänien gebracht worden. Dort hätten zwei ihnen unbekannte Männer sie zu dem Lkw-Auflieger gebracht, die Plane des Anhängers gelöst und sie aufgefordert sich auf der Ladefläche zwischen den Kistenpaletten zu verstecken. Nachdem die drei afghanischen Staatsangehörigen hineingeklettert waren, sei der Auflieger wieder von außen verschlossen worden. Der Lkw-Fahrer habe von all dem nichts gemerkt. Während der dreitägigen Fahrt hätten sie sich von Keksen und Wasser ernährt. Für ihre Notdurft standen ihnen lediglich die geleerten Wasserflaschen zur Verfügung. Die Schleuserorganisation, der sie sich anvertraut hätten, habe für die mehrmonatige etappenweise Schleusung von ihrer Heimat bis nach Deutschland von jedem zwischen 5.000 und 7.000 Euro kassiert.
Am Tag nach ihrem Sprung vom Auflieger konnten die beiden minderjährigen Migranten in Rosenheim der Obhut des zuständigen Jugendamtes anvertraut werden. Der 23-jährige Afghane war, wie sich bei Nachforschungen der Bundespolizei herausgestellt hat, in der Vergangenheit bereits von rumänischen Behörden registriert worden. Daher wird er voraussichtlich schon bald nach Rumänien zurückgeschoben.
Quelle: Bundespolizeidirektion München (ots)