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Kauder fordert von Anwälten und Öffentlichkeit beim NSU-Prozess mehr Zurückhaltung

Archivmeldung vom 13.05.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.05.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Siegfried Kauder Bild: siegfriedkauder.de
Siegfried Kauder Bild: siegfriedkauder.de

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat an Anwälte und Öffentlichkeit appelliert, beim laufenden NSU-Prozess "das Gericht in aller Ruhe seine Arbeit machen" zu lassen. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" sagte Kauder, er selbst erhoffe sich von dem Verfahren gegen Beate Z. und Mitangeklagte "Gerechtigkeit, und dass es dem Gericht gelingt, tatsächlich die Frage zu klären, in welchem Umfang Frau Z. an den ganzen Dingen beteiligt war".

Er wisse, dass viele der Opfer von dem Verfahren nicht nur ein Urteil über Frau Z. erwarteten, "sondern dass sie auch Aufklärung darüber bekommen, warum das alles hat passieren können" und warum Sicherheitsbehörden versagt hätten. "Das wird das Gericht aber so nicht leisten können", meinte Kauder. Aufgabe des Gerichtes sei es lediglich, "in einem konkreten Einzelfall die Tat- und Schuldfrage zu klären".

Kauder erinnerte die Anwälte der NSU-Opfer daran, "sehr sorgfältig mit der Wortwahl umzugehen". Er weise darauf hin, dass der Anwalt Teil der Rechtspflege sei und "nicht außerhalb des Prozesses der Wahrheits- und Rechtsfindung" stünde.

Ablehnend äußerte sich Kauder zur Anregung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nach Einführung eines Bundesbeauftragten gegen Rechtsextremismus. "Wir brauchen nicht für alles einen Bundesbeauftragten. Wir haben für diese Aufgabe Ministerien im Bund und in den Ländern. Das reicht voll und ganz aus", sagte Kauder.

Der Unionsfraktionschef sprach sich aber grundsätzlich dafür aus, dass man angesichts der regelmäßigen Finanzierungsdebatten für Programme gegen rechte Gewalt "auch zu längerfristigen Perspektiven kommen sollte". Auch wenn man nicht sagen könne, da werde "auf immer und dauerhaft" finanziert.

"Focus": Neuer Verdacht gegen Beate Z.

Die Bundesanwaltschaft geht nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Focus" einem neuen Verdacht gegen die mutmaßliche Terroristin Beate Z. nach. Als Mitglied der rechtsradikalen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) habe die 38-Jährige womöglich ein Anschlagsziel ausspioniert.

Hintergrund ist die Aussage einer Zeugin, die am 15. April 2013 von Beamten des Bundeskriminalamts vernommen wurde. Sie ist die Besitzerin eines deutsch-iranischen Lebensmittelgeschäfts in Köln, in dem am 19. Januar 2001 eine Bombe detoniert war. Ihre damals 19 Jahre alte Tochter war schwer verletzt worden. Die 57-jährige Zeugin erklärte jetzt, ein bis zwei Monate vor dem Anschlag sei eine junge Frau in Jeans, dunkler Jacke und mit Schal in den Laden gekommen. Sie wollte unbedingt auf die Toilette und habe "bitte, bitte, bitte" gesagt. Der Zeugin zufolge war die Frau 1,65 Meter groß und hatte "mittelbraune glatte Haare, die sie offen trug".

Die Ähnlichkeit zu Z. sei ihr erst jetzt durch Fotos aufgefallen. In ihrer Aussage unmittelbar nach der Tat hatte die Ladenbesitzerin den Vorfall nicht erwähnt. Ermittler nehmen die Aussage der Zeugin ernst, bezweifeln jedoch, dass sich der Vorwurf nach mehr als zwölf Jahren beweisen lässt. Z. muss sich seit vergangenem Montag vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Die einzige Überlebende des Terrortrios NSU soll mitverantwortlich für zehn Morde und weitere schwere Verbrechen sein.

Verfassungsrichter Müller plädiert für Gesetz zur Video-Übertragung von Prozessen

Angesichts des Streits um die Platzvergabe im NSU-Prozess hat sich Bundesverfassungsrichter Peter Müller für eine gesetzliche Regelung zur Videoübertragung bei Gerichtsverfahren ausgesprochen. "Sicher wäre es hilfreich, wenn der Gesetzgeber hier Klarheit schaffen würde", sagte Müller im Interview des Nachrichtenmagazins "Focus". Öffentlichkeit sei im Strafprozess ein "unverzichtbarer und auch verfassungsrechtlich vorgegebener Grundsatz". Wie man dieses Prinzip ausgestalte, sei zunächst eine rechtspolitische Frage.

Müller plädierte für eine Anpassung des Rechts an die moderne Medienwelt. "Der gesellschaftliche Kontext, in dem die Regelungen ursprünglich geschaffen wurden, hat sich sicherlich verändert. Wir haben heute über Medien und Internet eine andere Vermittlung von Öffentlichkeit."

Zuvor hatte der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Joachim Papier das Losverfahren beim NSU-Prozess kritisiert und sich für eine Videoübertragung in einen zusätzlichen Presseraum ausgesprochen. Die wachsende Kritik in der Union am Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle hält Müller für ungerechtfertigt. In einer Medien- und Kommunikationsgesellschaft sei es "selbstverständlich, dass die Mitglieder des Gerichts auch mit Journalisten sprechen", sagte der frühere Ministerpräsident des Saarlands im "Focus"-Interview. "Nach meiner Wahrnehmung ist der jetzige Präsident, was rechtspolitische Vorschläge angeht, deutlich zurückhaltender als sein Vorgänger" Papier.

Müller verteidigte Voßkuhle auch gegen die Kritik von Bundesinnenminister Peter Friedrich (CSU). "Der Präsident des Gerichts hat sich in einem Interview, das stattfand, bevor der Innenminister sich zur Videoüberwachung geäußert hat, für Besonnenheit bei der Umsetzung politischer Forderungen ausgesprochen", sagte Müller. "Der Innenminister konnte also gar nicht gemeint sein." Friedrich hatte sich dennoch angegriffen gefühlt, weil Voßkuhle entgegen politischer Forderungen nach mehr Videoüberwachung in Deutschland zur Zurückhaltung in dieser Frage aufgerufen hatte.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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