BG BAU: Todeszahlen auf Baustellen steigen
Archivmeldung vom 02.12.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.12.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttIn den ersten neun Monaten des laufenden Jahres haben sich auf Baustellen schon mehr tödliche Unfälle ereignet als im gesamten Vorjahr. Zwischen Januar und einschließlich September sind 87 Arbeitnehmer ums Leben gekommen, ist das Ergebnis einer Auswertung der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten.
74 von ihnen starben bei betrieblichen Tätigkeiten, 13 Arbeitnehmer kamen bei Unfällen auf dem Weg zur Baustelle ums Leben. Im gesamten Vorjahr kam es laut BG Bau zu 70 tödlichen Unfällen während der Arbeitstätigkeit, 21 Arbeitnehmer starben auf dem Weg zur oder von der Arbeit. Insgesamt gingen bis zum 30. September 77.077 meldepflichte Arbeitsunfälle und 5.472 Wegeunfälle bei der BG BAU ein.
Die meisten tödlichen Unfälle ereigneten sich demnach bei Dach-Arbeiten (14 Todesfälle), Gerüstarbeiten (zehn) und Arbeiten mit Gebäudeteilen (acht).
In 32 Fällen kam es zu einem Absturz eines Bauarbeiters, zehn Bauarbeiter starben durch Maschinenunfälle. Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), macht für die hohen Todeszahlen mangelnde Arbeitsschutzkontrollen der Bundesländer verantwortlich. Einige Bundesländer hätten die Kontrollen ihrer Aufsichtsbehörden in der Corona-Pandemie teilweise zurückgefahren oder ganz eingestellt, sagte Feiger den Funke-Zeitungen. "Wenn die, die sich professionell um den Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kümmern, dies nicht mehr machen dürfen und zu Hause bleiben müssen, dann ist das geradezu absurd."
Schützen sei schließlich ihr Job. "Und angesichts rasant gestiegener Infektionszahlen ist es dringend notwendig, dass sie ihren Job in den Betrieben und auf den Baustellen wieder machen", sagte Feiger. Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) bestätigte den Funke-Zeitungen, dass zu Beginn der Corona-Pandemie im März und April "die Außendiensttätigkeit auf dringende Unfalluntersuchungen und Fälle mit Gefahr in Verzug beschränkt" gewesen sei. "Trotz der widrigen Umstände" hätten rund 80 Prozent der Besichtigungen in den Betrieben aber weiter stattgefunden.
Wie eine eigene Umfrage der Zeitungen unter den Bundesländern zeigt, ist die Anzahl der staatlichen Kontrollen allerdings sehr unterschiedlich. In Sachsen sei die Arbeit für zwei Wochen vollständig ins Homeoffice verlagert worden, die Zahl der Kontrollen sank bis September von 4.862 im Vorjahr auf 4.110 Kontrollen in diesem Jahr.
"Zu Beginn des ersten Lockdowns im März gab es bis auf wenige Ausnahme keine Außendienste mehr", teilte das Arbeitsministerium aus Sachsen-Anhalt den Funke-Zeitungen mit. Die Zahl der kontrollierten Baustellen sank von 1.287 im Vorjahreszeitraum auf nun 1.106. Dagegen erhöhte sich die Zahl der kontrollierten Betriebe von 2.065 zwischen Januar und September 2019 auf 2.283 im selben Zeitraum des aktuellen Jahres.
In Hessen fanden zwischen Januar und September 6.409 Kontrollen statt, im Vorjahr waren es 7.400. In Mecklenburg-Vorpommern sank die Zahl der Vor-Ort-Kontrollen um mehr als 41 Prozent, von 2.327 Kontrollen im Zeitraum von Januar bis September 2019 auf 1.366 Kontrollen im selben Zeitraum des aktuellen Jahres.
In Thüringen sank die Zahl der Baustellenkontrollen von 772 im Vorjahreszeitraum auf 681 Kontrollen in diesem Jahr. Die Gesundheitsministerien aus dem Saarland und Bremen teilten dagegen mit, dass sie für die Pandemie ein Wechselmodell beim Homeoffice für Kontrollpersonen eingeführt hätten. Die Zahl aller Arbeitsschutzkontrollen stieg im Saarland zwischen Januar und September um 25 Prozent im Vorjahresvergleich, in Bremen um 18 Prozent. In Nordrhein-Westfalen hätten laut Arbeitsministerium im März und April zeitweise alle Aufsichtsbeamten im Homeoffice gearbeitet, dennoch sei die Zahl der Kontrollen mit 26.639 Kontrollen zwischen Januar und September um mehr als 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum gestiegen. Hamburg erreichte mit 2.289 Besichtigungen ungefähr den Vorjahreswert (2.361 Besichtigungen), ebenso Berlin (3.027 Kontrollen 2020 zu 2.859 Kontrollen 2019). In Rheinland-Pfalz hingegen sank die Zahl der Inspektionen von 9.706 von Januar bis September 2019 auf nun 6.719. Dies habe auch daran gelegen, dass Beamte für die Kontrolle der Schutzausrüstung beim Zoll eingesetzt worden seien, teilte das rheinland-pfälzische Arbeitsministerium mit.
Quelle: dts Nachrichtenagentur