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Literaturkritiker Reich-Ranicki: Grass kein Antisemit

Archivmeldung vom 14.04.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.04.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Günter Grass, 2004
Günter Grass, 2004

Foto: Florian K
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker und Holocaust-Überlebender, hält Günter Grass nicht für einen Antisemiten. Das zeige sich an Grass` literarischen Werken. "Dafür, dass Grass schon immer ein Antisemit war, gibt es keine Spuren - nichts", sagt Reich-Ranicki in einem Filmbeitrag für die Sendung "Günther Jauch" (ARD).

Als antisemitisch kritisiert Reich-Ranicki aber das Gedicht "Was gesagt werden muss" von Grass. "Er hat den Antisemitismus ganz klar geboten", sagt Reich-Ranicki. "Das hat er ein bisschen zu stark gemacht, damit hat er den Skandal erst hervorgerufen."

Filmregisseur Volker Schlöndorff geht seinerseits davon aus, dass Grass die heftigen Reaktionen auf seine israel-kritischen Verse einkalkuliert hat. "Nach dem ersten Aufschrei und der Ablehnung wird jetzt eine Debatte geführt - wahrscheinlich in dem Sinne, den er gewollt hat", sagt Schlöndorff in einem Interview für die Sendung.

Schlöndorff, der 1979 bei der Verfilmung von Grass` gleichnamigen Roman "Die Blechtrommel" Regie führte, betont: "In keinem der Grass-Bücher, die ich Wort für Wort, Zeile für Zeile auseinandergenommen habe, sehe ich irgendwo Antisemitisches."

Beiratschef der Stasi-Unterlagen-Behörde rügt Grass` Stasi-Vergleich

Der Vorsitzende des Beirates der Stasi-Unterlagen-Behörde, Richard Schröder, hat den Vergleich des Schriftstellers Günter Grass zwischen dem Verhalten Israels ihm gegenüber und den Methoden der DDR zurück gewiesen. "Der Stasi-Vergleich ist wieder daneben", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Israel ist kein Polizeistaat. Zwei Israelis, drei Meinungen - das ist doch die Realität im Land. Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen mit einem Regime, das jede abweichende Meinung verfolgt." Zwar halte er die Entscheidung Israels, den 84-Jährigen nach seiner lyrischen Israel-Kritik mit einem Einreiseverbot zu belegen, für "überzogen", betonte Schröder. "Das ist alles überhitzt." Allerdings seien Einreiseverbote "keine Spezialität der Staatssicherheit" gewesen. Und Grass habe zuvor einfach "Unsinn von sich gegeben" und sei "jetzt wieder voll reingetreten".

Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, forderte unterdessen eine Versachlichung der Diskussion. "Es wäre gut, wenn wir diese Debatte, die auf Verunglimpfung der Person gerichtet ist, beenden und in eine sachliche Debatte über den Inhalt überführen", erklärte er der "Mitteldeutschen Zeitung" und fügte hinzu: "Wer die derzeitige israelische Regierung kritisiert, wird dadurch noch nicht zum Antisemiten. Mit diesem Etikett endet erfahrungsgemäß jede Diskussion." Dabei sei "die Meinungsfreiheit in der Demokratie eines der höchsten Güter".

Grass hatte in einem Gedicht behauptet, Israel gefährde den Weltfrieden. Daraufhin hatte ihn der israelische Innenminister Eli Jischai mit einem Einreiseverbot belegt. Grass reagierte darauf mit den Worten, die Begründung dafür erinnere ihn an das Verdikt des früheren Stasi-Chefs Erich Mielke. Ein Einreiseverbot sei eine "in Diktaturen übliche Praxis".

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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