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Schlaufengurte nach Auffassung der EU doch kein Muss"

Archivmeldung vom 14.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Überraschend hat Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vergangene Woche nun doch den so genannten Schlaufengurt (auch "Loop-Belt" oder "Belly-Belt" genannt) für Kleinkinder zur Pflicht gemacht. Damit werden Babys und Kinder unter 2 Jahren im Flugzeug an dem Anschnall-Gurt eines Erwachsenen fixiert.

Immer dann, wenn das "Anschnall-Zeichen" leuchtet (z. B. bei drohenden Turbulenzen, Start und Landung), muss ab dem 16. Juli (Mittwoch) nun der Schlaufengurt angelegt werden. Dabei ist dieser Anschnall-Gurt in der Fachwelt höchst umstritten, da ein mit ihm an einen erwachsenen Passagier befestigtes Kleinkind einem erheblichen Verletzungsrisiko ausgesetzt wird. In Extremsituationen, die für normal angeschnallte Erwachsene kein großes Risiko darstellen, ist er sogar tödlich. Dies wurde durch weltweite wissenschaftliche Studien belegt. Auch Crash-Tests des WDR und des TÜV Rheinlands Anfang Mai kamen zu diesem Ergebnis.

Mit seiner Entscheidung revidiert Bundesverkehrsminister Tiefensee seine bislang in der Öffentlichkeit vertretene Haltung, dass der Schlaufengurt auch mit der europaweiten Einführung der neuen EU-Betriebsvorschriften (EU-OPS) am kommenden Mittwoch für deutsche Fluggesellschaften weiter verboten bleiben sollte. Dies hatte das Ministerium noch Mitte Mai gegenüber der WDR-Sendung "MARKT XL" (19. Mai) bekräftigt.

Die EU-Verordnung "überlagert deutsches Recht", hieß es dazu in einer Stellungnahme aus dem BMVBS und deshalb müsse der Schlaufengurt nunmehr auch zur Verwendung bei deutschen Airlines zugelassen werden.

Recherchen von "markt" ergeben aber: Die vom Ministerium in der Öffentlichkeit vertretene Auffassung ist falsch. Dies bestätigte auf Nachfrage des WDR die Europäische Kommission in Brüssel. In einer Stellungnahme der Kommission heißt es: "Es ist falsch, dass EU-Recht ab dem 16. Juli die Nutzung des so genannten "Schlaufengurtes" verlangt." Weiter bestätigte die Kommission: Die neue EU-OPS Verordnung verlangt die Nutzung eines Rückhaltesystems für Kleinkinder unter zwei Jahren, aber sie "überlässt jedem Mitgliedsstaat die Entscheidung welches zugelassene System die Fluggesellschaften unter ihrer Aufsicht nutzen sollen." Die Kommission hebt hervor, dass der Schlaufengurt nur eine der vielen Möglichkeiten ist, einen verbindlichen Mindest-Sicherheitsstandart europaweit zu garantieren. In der Stellungnahme heißt es weiter: Der Loopbelt "ist nicht obligatorisch, und er wird es auch nach dem 16. Juli nicht sein." Die Kommission unterstreicht in ihrer Stellungnahme gegenüber dem WDR: "Die deutschen Behörden können von den unter ihrer Aufsicht stehenden Fluggesellschaften auch die Verwendung von Auto-Kindersitzen oder anderen Rückhaltesystemen fordern oder vorschreiben."

Tiefensees Kehrtwende kann weder von Experten noch von der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) sowie der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) nachvollzogen werden. In einem inzwischen offenen Brief (siehe auch auf Bericht WDR.DE) appellierten die deutschen Flugbegleiter an den Verkehrsminister seine Entscheidung zu überdenken. Es sei zu befürchten, dass die Fluggesellschaften die Flugbegleiter "nunmehr anweisen werden unseren kleinsten Passagieren in Fällen, bei denen keine zugelassenen Kinderrückhaltesysteme zur Verfügung stehen, den in unseren Augen lebensgefährlichen Loop-Belt anzulegen."

Wie das ARD-Magazin "Kontraste" vergangenen Donnerstag berichtet hat, gab der Bundesverkehrsminister inzwischen der Intervention deutscher Luftfahrtunternehmen nach, die sich wegen drohender Wettbewerbsnachteile bei einer Kindersitz-Vorschrift für die Einführung des Schlaufengurtes ausgesprochen hatten. In einem dem WDR vorliegenden internen Besprechungsprotokoll eines Treffens vom 27. Juni mit Behördenvertretern und den deutschen Airlines geht hervor, dass die Fluggesellschaften für den Fall, dass es zu einem Verbot der Gurte kommt, vor einem "schlagartigen Wettbewerbsnachteil" warnten und außerdem bereits Schlaufengurte in Höhe eines siebenstelligen Betrages bei der Lufthansa und eines sechsstelligen Betrages bei der TuiFly geordert wurden.

Als Schutz für mitreisende Passagiere gedacht

Der Schlaufengurt wird seit einigen Jahren bereits von zahlreichen europäischen Fluggesellschaften bei Kleinkindern ohne Anspruch auf einen eigenen Sitzplatz (in der Regel unter zwei Jahren) zur Sicherung des Kindes verwendet. Jedoch wurde er nach Auskunft des TÜV Rheinland entwickelt, um in einer Notsituation oder bei Turbulenzen andere Passagiere vor "herumfliegenden Kleinkindern in der Kabine zu schützen. Eine Zulassung als Kinderrückhaltesystem hat er dagegen nicht."

Schlaufengurt ohne Zulassung?

In Deutschland hat der Schlaufengurt also bislang überhaupt keine Zulassung. Bisher werden sogar Schlaufengurte eingesetzt, die keiner technischen Norm entsprechen. Das hat dem WDR die US-amerikanische Luftaufsichtsbehörde Federal Aviation Administration (FAA) bestätigt. Die FAA teilte mit: "Wir lassen keinen Schlaufen- oder Bauchgurt zu, der an kleinen Kindern benutzt werden darf." Es handele sich bei den Schlaufengurten vielmehr um einen "Verlängerungsgurt" für "übergewichtige Passagiere, für die der normale Beckengurt nicht ausreicht." Die US Behörde warnt: "Diese Beckengurtverlängerung darf nicht für kleine Kindern eingesetzt werden."

Quelle: WDR

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